Der mexikanische Regisseur Alfonso Cuaron (“Children of Men”) überzeugt durch große, symbolgeladene Bilder, die eine konventioneller geratene Actiondramaturgie bei weitem aufwiegen.
Gravity: Die Geschichte
Das Spaceshuttle der beiden Astronauten Ryan Stone (Bullock) und Matt Kowalsky (Clooney) wird während eines Außeneinsatzes von Trümmerteilen getroffen. Das Schiff ist zerstört, die Kollegen tot und die beiden Überlebenden treiben ohne Zuflucht und Kontakt zur Erde in ihren Raumanzügen durch das All. Kowalsky beruhigt als Routinier die hyperventilierende Stone bei ihrem ersten Einsatz im All, zumal ihr kostbarer Sauerstoff schwindet, während beide versuchen, die russische Raumstation zu erreichen. Dies ist allerdings nur der Auftakt einer Kettenreaktion der Eskalation, an deren Ende Stone alleine mit der unendlichen Weite ist.
Narrativ greift Cuaron, der gemeinsam mit Sohnemann Jonas auch das Drehbuch verfasst hat, auf bekannte Konstruktionen zurück. Geschlechterstereotyp steht der starke, ruhige Mann mit schnurrender Stimme der nervösen Frau gegenüber. Sie leidet unter dem Tod ihres Kindes und wächst in der Einsamkeit des Weltalls aus diesem Trauma über sich hinaus.
Gravity: Die Kritik
Die große Stärke ist Cuarons optische Umsetzung seiner Vision, in dem 3D so berückend schön geraten ist, wie selten zuvor. Im Panoramablick über die Erde ist ein majestätischer Sonnenaufgang ebenso zu sehen wie das Gleiten durch die dunkle Schwerelosigkeit des Sternenhimmels. In Bildmetaphern schwebt Stone in ihrer Kapsel einem Embryo gleich oder ist die metaphorische Nabelschnur eines Seils der einzige Halt, der Stone und Kowalsky im leeren Raum verbindet. Da spiegelt sich die Erde in einer fliegenden Träne. “Gravity” macht das All als Raum erfahrbar wie wohl noch kein Science-Fiction-Film vor ihm.
Den großen Bildern der Stille stellt Cuaron aber immer wieder extreme Nahaufnahmen und sogar subjektive Perspektiven als klaustrophobisches Gegenbild zum großen Panorama gegenüber. Und auch die reichlich vorhandenen Actionsequenzen und Explosionen wirken verlangsamt im schallfreien Raum, bergen wie in Zeitlupe eine eigene Schönheit, die den Zuseher umso mehr packt. Cuaron ist ein schwebendes Werk voller erdiger Spannung gelungen – zwischen Kunstfilm und Blockbuster angesiedelt und mit dem Potenzial, beide Zuschauergruppen zu bewegen.
(APA)