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Gondelabsturz am Lago Maggiore: Auch in Österreich möglich?

Ein Seilbahnunglück wie am Lago Maggiore könne in Österreich nicht passieren.
Ein Seilbahnunglück wie am Lago Maggiore könne in Österreich nicht passieren. ©AP
Das schwere Seilbahnunglück am Lago Maggiore in Italien mit 14 Toten beschäftigt die heimische Seilbahnwirtschaft. Könnte eine ähnliche Tragödie auch in Österreich passieren?
Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung
14 Tote nach Gondelabsturz

Den Riss eines Zugseils ohne äußere Einwirkung schloss Christian Felder, Vorsitzender des Technikerkomitees beim Fachverband Seilbahnen, heute am Rande eines Pressegesprächs in Salzburg de facto aus. Auch die absichtliche Abschaltung eines Sicherheitssystems könne in Österreich nicht passieren, sagte er. Man warte nun die Ergebnisse der Untersuchungen in Italien ab.

Seilbahnunglück am Lago Maggiore: "In Österreich nicht vorstellbar"

"Auch wenn es zu menschlichen Situationen kommen kann: Wenn ich mir ansehe, was wir in Österreich lehren und vorgeben, kann ich so ein Unglück grundsätzlich ausschließen", betonte Felder und verwies auf die hierzulande hohen Sicherheitsstandards. Dazu zähle nicht nur eines der strengsten Seilbahngesetze weltweit, sondern auch regelmäßige Kontrollen und gut ausgebildetes Personal.

"Sicherheit ist die oberste Prämisse. Erst dann kommt die Wirtschaftlichkeit." Das beginne bei den täglichen Überprüfungen vor, während und nach dem Betrieb und gehe weiter bis zu den jährlichen Hauptrevisionen. Dazu finden alle paar Jahre genaue Materialkontrollen statt. Alle Überprüfungen werden dokumentiert und von den Behörden genau kontrolliert.

"Ein Zugseilriss ohne äußere Einwirkungen ist theoretisch nicht vorstellbar", sagte Felder. Das sei beim Seilbahnunglück von Cavalese 1998 der Fall gewesen, als ein amerikanisches Kampfflugzeug das Tragseil durchtrennte und eine Kabine in die Tiefe stürzte. Oder möglich, wenn orkanartige Winde bei eisigen Temperaturen ein Zugseil über das Tragseil werfen. "Aber dann wäre der Betrieb schon lange vorher eingestellt worden."

Ein Blitzschlag oder ein verirrtes Projektil aus einer Jagdwaffe könne ein Seil hingegen nur äußerlich beschädigten. "Es würde aber niemals zum Riss kommen, weil nur die Außendrähte beschädigt werden." Selbst wenn ein Viertel des Seilquerschnitts verloren ginge, würde noch immer nichts passieren.

Zustand der Zugseile wird regelmäßig geprüft

Ein Zugseil besteht aus über 200 Drähten und werde alle drei oder vier Jahre mit magnet-induktiven Verfahren geprüft. Dabei könne man exakt den Zustand im Inneren des Seils prüfen. "Wenn sich dabei Anzeichen für Drahtbrüche oder Korrosion zeigen, können Kontrollen in deutlich kürzeren Intervallen vorgeschrieben werden." Das Alter des Seils spiele dabei übrigens keine Rolle.

Felber war sich heute ziemlich sicher, dass das Problem beim Unglück in Italien nicht am Seil, sondern am Verbindungsstück zur Gondel gelegen sein dürfte. "Die Schwachstelle sehe ich bei der sogenannten Endbefestigung am Vergusskegel". Das Seilende wird dort wie ein Besen aufgefächert, die Drähte um 180 Grad gedreht, entfettet und dann in einem Trichter mit einer Legierung vergossen.

Notbremse in Österreich nur bei Wartungsarbeiten deaktiviert

Zur Deaktivierung der Drahtseilbremse komme es in Österreich nur im Zuge von Wartungs- und Revisionsarbeiten. "Dass es im täglichen Betrieb dazu kommt, ist auszuschließen. Dafür sorgt alleine schon das tägliche Prüfprozedere vor Aufnahme des Betriebs." Dabei müsse etwa der ordnungsgemäße Zustand der Drahtseilbremse in einem Prüfbuch dokumentiert und mit der eigenen Unterschrift bezeugt werden.

Felder zeigte sich heute auch überzeugt, dass bei dem Unfall am Lago Maggiore die Notbremse auslöste - durch die sogenannte Gabel aber außer Kraft gesetzt wurde und darum wirkungslos blieb. "Die Seilbremse erkennt den Zugseilriss automatisch. Wenn die Spannung nicht mehr vorhanden ist, schließt sie automatisch." Schlappseil-Überwachung heißt das in der Sprache der Seilbahntechniker. Ohne Bremse nehme die Gondel am Tragseil aber Fahrt auf und werde irgendwann so schnell, dass es zur Entgleisung kommt.

Seilbahnwirtschaft will weitere Erkenntnisse abwarten

"Es geht aber nicht nur um die Technik", betonte Felder. "Die Technik muss auch von gut ausgebildeten Mitarbeitern bedient werden." Speziell in Österreich würde ein hohes Ausbildungsniveau herrschen, dazu kämen beträchtliche Voraussetzungen für Betriebsleiter. Felder will nun die genauen Untersuchungsergebnisse aus Italien abwarten. "Gibt es neue Erkenntnisse, werden wir das umgehend kontrollieren und entsprechende Maßnahmen setzen."

Neben Felder sprachen am Donnerstag auch Fachverbandobmann Franz Hörl und der Chef der Salzburger Seilbahner, Erich Egger, den Angehörigen der Verunglückten ihr Beileid aus. "Das war auch nicht Schlamperei, sondern ein bewusster Akt, um die Bremse außer Betrieb zu setzen. Zum Unglück ist es erst durch Manipulation gekommen, nicht durch Seilriss. Man hätte dann einen Bergefall gehabt - aber so etwas ist geprobt und geübt", sagte auch Kornel Grundner, Geschäftsführer der Leoganger Bergbahnen.

(APA/Red)

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