AA

"Günther Platter ist nicht mehr tragbar"

Schwarzach - Die Grünen machen ihre Drohung wahr – in der Sondersitzung am Mittwoch wird es einen Misstrauensantrag gegen Platter geben. Das bestätigt Eva Glawischnig im "VN"-Gespräch.

Die Grünen rufen zu einer Kundgebung heute Abend vor dem Innenministerium auf, morgen wird auf ihren Antrag hin eine Sondersitzung des Nationalrats stattfinden – ist Innenminister Günther Platter (ÖVP) für Sie überhaupt noch tragbar?

Glawischnig: Nein, er ist nicht mehr tragbar. Vor allem, weil es bei den Abschiebungen um einen menschenrechtlichen Bezug geht, den er ununterbrochen ignoriert: das Grundrecht auf Familienleben.

Sie werden in der Sondersitzung einen Misstrauensantrag gegen Platter einbringen?

Glawischnig: Wir werden einen Misstrauensantrag gegen ihn einbringen – und uns dabei auch anschauen, wie sich die SPÖ verhält: Vor zwei Jahren haben die Frau Prammer, der Herr Gusenbauer und der Herr Cap dem Fremdenrecht zugestimmt. Heute jammern sie darüber.

Finden Sie das SPÖ-Verhalten verlogen?

Glawischnig: Schon, weil das Fremdenrechtspaket ja nicht vom Himmel gefallen ist. Experten haben von vorn herein auf die Auswirkungen hingewiesen.

Was erwarten Sie von den Sozialdemokraten?

Glawischnig: Sie sollen Farbe bekennen: Wir werden (in der Sondersitzung) einen Abschiebstopp für Minderjährige beantragen. Da sollen sie zustimmen oder es ablehnen. Aber dann wissen wir wenigstens, was von den Krokodilstränen von Gusenbauer und Co. zu halten ist.

Was die 15-jährige Arigona Zogaj und ihre Familie betrifft, so hat das Innenministerium klargestellt, dass sie von vorn herein Wirtschaftsflüchtlinge ohne Aussicht auf Asyl waren. Warum sollen sie trotzdem bleiben dürfen?

Glawischnig: Die Situation im Kosovo ist extrem unruhig. Österreich hat bis zu diesem Wochenende schon 300 Menschen aus dem Land Asyl gewährt, u.a. wegen unmittelbar drohender Verfolgung. So einfach ist das also nicht, zu sagen, das seien „nur“ Wirtschaftsflüchtlinge.

Das Innenministerium sieht nun aber keine Asylgründe.

Glawischnig: VfGH-Präsident Korinek hat bereits darauf hingewiesen, dass das Recht auf Familienzusammenleben ab einem gewissen Zeitpunkt schwerer wiegt als ein negativer Asylentscheid. Außerdem haben Verfassungsrechtler in aller Deutlichkeit erklärt, dass das österreichische Asylrecht verfassungswidrig und daher reparaturbedürftig ist.

Platter befürchtet wohl, dass er mit einer Entscheidung im Sinne der Familie Zogaj ein Präjudiz für Tausende ähnliche Fälle setzt.

Glawischnig: Wir würden uns alle ein bisschen leichter tun, wenn er den Kriterienkatalog offen legt, nach dem sich die Behörden richten – das ist ja Metternich’sche Geheimhaltepolitik. Platter wird nicht umsonst als hartherzig beschrieben. Ich habe den Eindruck, dass das politisches Kalkül der ÖVP-Spitze um Vizekanzler Molterer und Ex-Kanzler Schüssel ist: Nachdem sie bei der letzten Wahl einige Wähler an die FPÖ verloren haben, wollen sie diese nun auf Kosten einiger Familien zurückgewinnen.

Die Frage ist nun freilich, wo die Grenze im Hinblick auf das Bleiberecht gezogen wird.

Glawischnig: Österreich hat es verabsäumt, nach dem Kosovo-Krieg die Asylbehörden auszustocken. Das Ergebnis sind 30.000 offene Verfahren, die sich oft jahrelang dahinziehen. Andere Länder – wie Deutschland, aber auch die restriktive Schweiz – haben zumindest Bleiberechtsprogramme eingeführt. Wir würden uns das auch wünschen: Wer länger als fünf Jahre hier ist, soll ein Bleiberecht erhalten, wenn er gut integriert und selbstverständlich unbescholten ist. Das wäre eine Lösung für 6000, 7000 Menschen.

Soll dieses Bleiberecht auch für die Zukunft gelten?

Glawischnig: Wir stellen uns das rückwirkend vor. Wenn die Verfahren weiterhin so lange dauern, wird man sich das aber auch für die Zukunft diskutieren müssen. Sicher notwendig wird es sein, das Recht auf Familienleben auch im Fremdenrecht sichtbar zu machen, sonst wird es ein entsprechendes VfGH-Urteil dazu geben.

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • "Günther Platter ist nicht mehr tragbar"
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.