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Glück

Manchmal ist das Glück ein Vogerl - und scheißt einem Mitten ins Gesicht. So geht es den beiden Protagonisten von Doris Dörries neuestem Film "Glück", in dem sich eine Außenseiterliebe unversehens in einen Kriminalfall verkehrt, der dann doch wieder von der Liebe und dem Glück handelt. Die Regisseurin, eigentlich für genaue Figurenzeichnungen bekannt, hat einen etwas kruden Hybrid aus Kitsch, Ironie, Krimi und echter Liebe geschaffen. Ab Freitag (24. Februar) im Kino. Alle Spielzeiten auf einen Blick

Irina (Alba Rohrwacher) verschlägt es nach traumatischen Kriegserfahrungen im unspezifizierten osteuropäischen Heimatland nach Berlin. Dort muss sie sich ohne Papiere als Straßenprostituierte verdingen und trifft auf den Punk Kalle (Vinzenz Kiefer). Die beiden Großstadtgestrandeten nähern sich behutsam an und finden gemeinsam das Glück, bis ein Freier Irinas während des Liebesakts einen Herzinfarkt erleidet und sie in Panik die Wohnung verlässt. Der zurückkehrende Kalle glaubt an eine Übersprunghandlung seiner Freundin und zerlegt den vermeintlich Ermordeten in der Badewanne. Das “Verbrechen” bleibt allerdings nicht lange von der Polizei unbemerkt.

Die Vorlage für Dörries Liebesfilm liefert eine nur ein Dutzend Seiten umfassende Erzählung des Strafverteidigers Ferdinand von Schirach, der Fälle aus seinem Arbeitsalltag behandelt. Bei Dörrie gerät allerdings der am Beginn als Erzähler auftretende Strafverteidiger Noah Leyden (Matthias Brandt) schnell aus dem Blick. Sie setzt statt der lakonischen Fallschilderung von Schirachs auf die etwas langamtige Vorgeschichte der Annäherung der beiden Außenseiter.

Obgleich keine brutalen Details des Flüchtlings- und Straßenlebens ausgespart werden, zeigt sich diese Liebe fast idyllisch, sommerlich und dabei immer auch ein wenig an der Grenze zum Oberflächlichen. Durchaus ambivalente Seiten der Protagonisten schildert die Regisseurin mit ungebrochenem Optimismus. Auch wenn sich Irina während ihrer Panikattacken mit Stecknadeln verletzt, spart die Kamera kein Detail aus, was allerdings nicht die positive Grundstimmung trübt. Letztlich wählt “Glück” damit aber auch einen ungekannten Weg, sich nicht im depressiven Einheitsbrei des Sozialpornos zu verlieren.

Das Glück in Irinas Heimatland vor dem Einbruch des Krieges schrammt mit roten Mohnfeldern und Puschelschafen hart an der Kitschgrenze vorbei, Vergewaltigung und Verzweiflung zeigt Dörrie dann wiederum tonlos, verlässt sich ganz auf das beeindruckend unglamouröse und doch sprechende Gesicht von Italiens Shootingstar Alba Rohrwacher. Ihr steht mit berückend schönen Augen in kindlicher Naivität Vinzenz Kiefer zur Seite.

Umso vehementer fällt nach dem beginnenden Liebesglück der Einbruch des Grausamen aus, wenn das Zersägen des toten Freiers mit einem elektrischen Küchenmesser en detail in aller blutigen Knochenarbeit gezeigt wird. Es ist der Liebesdienst des Vegetariers Kalle, der sonst kein Grillhähnchen sehen kann. Letztlich streift Dörrie hier die Frage, wie weit man für den “Wupp-Dich” gehen würde, jenen von Kalle konstatierten Moment beim Schaukeln, wenn am höchsten Punkt für kurze Zeit ebendiese stillzustehen scheint – ein Sinnbild für die Beziehung Irinas und Kalles.

(APA)
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