Die AKP schaffte es nicht, die für die Wahl nötigen 367 Abgeordneten aufzustellen. Der Wahlprozess wurde damit ungültig. Gül hatte vor der Abstimmung erklärt, er wolle seine Kandidatur zurückziehen, sollte das Quorum verfehlt werden.
Bei der Abstimmung waren nur 351 Abgeordnete anwesend, 16 weniger als erforderlich, da die Opposition den Wahlgang wie zuvor angekündigt erneut boykottierte. Außenminister Gül hatte kurz vor dem geplanten Wahldurchgang damit gedroht, seine Präsidentschaftskandidatur zurückzuziehen, falls das Parlament am Sonntag wieder nicht beschlussfähig sein sollte. Eine Reaktion Güls unmittelbar nach dem Scheitern des zweiten Wahldurchgangs war vorerst nicht zu bekommen.
Das türkische Wahlrecht sieht die Wahl des Präsidenten durch das Parlament vor. Wenn nach den ersten zwei Wahlgängen – bei denen jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist – noch kein Präsident gewählt wurde, reicht im dritten Durchgang eine einfache Mehrheit. Gül will es offenbar aus machtpolitischen Gründen vermeiden, von weniger als zwei Drittel der Abgeordneten gewählt zu werden.
Als Ausweg aus der politischen Krise hat das Parlament Neuwahlen für den 22. Juli beschlossen. Am Samstag hatten erneut zehntausende Gegner der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Erdogan gegen eine Wahl Güls protestiert.