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Gewalt gegen Frauen: Viele Opfer sind Migrantinnen

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Zwei Drittel der Opfer von Gewalt und Übergriffen durch Ehemänner und Verwandte sind Migrantinnen.

Dies belegen Polizeimeldungen an die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Vor allem Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und den neuen EU-Beitrittsländern suchen bei der Beratungsstelle Hilfe und Unterstützung, sagte Tamar Citak, Zuständige für Migranten-Fragen in der Beratungseinrichtung, im APA-Gespräch.

Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sei der Anteil von Betroffenen aus Migranten-Familien natürlich besonders groß, meinte Citak. Grund dafür sei allerdings nicht ein höheres Ausmaß an Gewalt, sondern der Mangel an Möglichkeiten, bei Freunden oder Verwandten Hilfe zu bekommen. Vielen bleibt als einziger Ausweg die Flucht zur Polizei. In sehr traditionellen Familien werden Gewaltopfer unter Druck gesetzt, bei ihrem Partner zu bleiben. Dieses Problem gebe es allerdings auch bei österreichischen Frauen in sehr christlichen, ländlichen Gebieten. Den Weg zur Exekutive wählen viele erst dann, wenn die Situation wirklich brutal wird.

Immer mehr Migrantinnen – auch der ersten Generation – beginnen sich gegen Gewalt aus der eigenen Familie zu wehren, berichtete die Expertin. Sie sehen, wie junge Mädchen Hilfe suchen, und wollen sich zunehmend auch nach 30 Jahren Ehe scheiden lassen. Muttersprachliche Einrichtungen seien für diese Frauen, die oft nur gebrochen Deutsch sprechen, von großer Bedeutung. Frauen aus dem Islam nehmen nur in Einzelfällen Kontakt zur Interventionsstelle auf. Viele wurden sehr religiös erzogen und haben gelernt, ihren Männern zu gehorchen, so die Beraterin. Für diese Menschen ist Gewalt oft selbstverständlich und ein Aufbegehren unmöglich.

Ein Anstieg sei im Bereich der Zwangsehen zu beobachten, sagte Citak. Ein Grund dafür sei der zunehmende Trend, entfernte Familienangehörige aus der Heimat nach Österreich zu holen. Junge Frauen, die hier aufgewachsen sind, wehren sich dagegen. „Sie wollen nicht wie ihre Mütter in der Gesellschaft unterdrückt werden“, sagte die Expertin. Daher werden immer mehr Fälle bei der Polizei bekannt gegeben, oft schon nach der ersten Ohrfeige und Drohungen durch die Familie. Betroffen sind vor allem junge Mädchen aus den Balkan-Ländern und China. Auch männliche Nachkommen werden zu derartigen Eheschließungen animiert. Ihnen wird nahe gelegt, sich mit Frau aus der Heimat zu vermählen, die nicht „europäisch“ sind. Diese so genannten „Import-Bräute“ werden dann wie Sklavinnen behandelt und müssen ihren Männern gehorchen.

„Das österreichische Gewaltschutzgesetz ist ein Mustergesetz“, meinte Citak. Für Migrantinnen biete es auf Grund der Abhängigkeit von ihren Ehemännern allerdings nicht genügend Sicherheit. Familienzusammenführungen sind derzeit die nahezu einzige Möglichkeit, eine langfristige Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu bekommen. Folgt eine Frau ihrem Mann nach Österreich, ist sie fünf Jahre von ihrem Partner abhängig, so die Expertin. Will sich eine Migrantin vor dieser Zeit von ihrem Gatten trennen, ist ihr Aufenthaltsrecht gefährdet. Alle Ansprüche auf Unterstützung und Förderung für die Kinder gehen verloren. Arbeiten dürfen diese Migrantinnen in Österreich ebenfalls erst nach einem Jahr. Das allerdings nur dann, wenn sämtliche Papiere des Ehemannes vorgelegt werden. Das heißt, sie benötigen für eine Arbeit dessen Zustimmung, erklärte Citak. „Viele Männer nützen diese Regelungen aus um zusätzlich Macht, Kontrolle und Druck auszuüben.“

Sexueller Gewalt seien vor allem Migrantinnen aus Lateinamerika und den östlichen Asien ausgeliefert, berichtete Citak. Immer wieder werden Frauen von Österreichern für eine Hochzeit aus diesen Gebieten geholt. Dabei beeindrucken die Männer ihrer späteren Opfer zu Beginn meist mit Höflichkeit und liebevollem Verhalten. Die glückliche Anfangsphase weicht rasch Unterdrückung und Ausbeutung. Die Betroffenen verstehen meist kein Wort deutsch und können sich in der fremden Kultur daher kaum zur Wehr setzen. Genitalverstümmelungen stellen das Problem mit der größten Dunkelziffer dar, meinte die Beraterin. Laut Schätzungen des Gesundheitsministeriums leben in Österreich etwa 8.000 Betroffene. Diese Gewaltform sei in Österreich leider immer noch ein Tabuthema, so Citak.

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