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Gewalt gegen Frauen: Mehr Geld für Beratungsstellen

Zudem steht auch eine Pflicht-Beratung für "Gefährder" an.
Zudem steht auch eine Pflicht-Beratung für "Gefährder" an. ©APA
Beratungsstellen gegen Gewalt gegen Frauen sollen mehr Geld erhalten, wie die Regierung beim "Gewaltschutzgipfel" beschloss. Eine Info-Kampagne soll noch diese Woche starten.

Die Bundesregierung setzt im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen auf verstärkte Beratung und Aufklärung. Man werde die Beratungsstellen ausbauen, sagte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag nach einem zweitägigen "Gewaltschutzgipfel" der Regierung. Auch startet noch diese Woche eine Informationskampagne, Frauen sollen wissen, dass es Schutz-Angebote gibt. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verwies auf die geplanten verpflichtenden Beratungskurse für Gefährder.

Gewalt "in all ihren Ausprägungen ist ein Problem, das uns alle betrifft und wir müssen mit aller Härte dagegen vorgehen", sagte Raab bei der Pressekonferenz im Kanzleramt. Tritt Gewalt in den eigenen vier Wänden auf, so dürfe diese nicht als Privatsache betrachtet werden. Ziel des Gewaltschutzgipfels sei es gewesen, Lücken bei den Angeboten zu finden und Verbesserungen zu schaffen. Man habe nach dem Austausch mit rund 400 Teilnehmern mehrere Maßnahmen beschlossen, die in erster Linie auf Beratung abzielen.

Beratungsstellen werden ausgebaut

Dazu sollen die bereits existierenden Beratungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt budgetär aufgestockt werden. In jedem Bundesland soll sichergestellt werden, dass es eine derartige Beratungsstelle gibt, so Raab. Auch die Beratungsangebote hinsichtlich der Fälle von Zwangsheirat sollen ausgebaut werden. Zum Thema Hass im Netz verwies Raab auf das bereits verabschiedete Paket gegen Cybergewalt. Wichtig sei auch, in diesem Bereich Schulungsangebot aufzubauen, sagte sie. Konkrete Budgetzahlen zu den einzelnen Maßnahmen lagen vorerst noch nicht vor.

Einen starken Fokus will die Regierung auf das Thema Aufklärung richten. Dazu startet noch diese Woche eine Informationskampagne in Printmedien - mit Slogans wie "Stopp der Gewalt", "Du bist nicht alleine", "Es ist nicht deine Schuld" oder "Es gibt immer einen Ausweg". Es müsse jede Frau in Österreich wissen, dass es einen Zufluchtsort (etwa die 15 Frauenhäuser in Österreich) gibt, betonte Raab. Außerdem liegen bereits seit vergangener Woche rund 400.000 Beratungs-Flyer in Apotheken, Arztpraxen und in Supermärkten auf, die auf die Angebote hinweisen sollen.

Pflicht-Beratung für Gefährder

Innenminister Nehammer verwies auf die ab 1. Juli 2021 startende verpflichtende Beratung für Gefährder. Bisher habe man sich um die Täter nicht weiter gekümmert, so der Ressortchef. Da es aber immer wieder zu Wiederholungstaten komme, sei das Begleiten des Täters ein wichtiger Schritt. "Dieser begleitende Prozess wird jetzt verpflichtend eingeführt, wenn es zu Betretungs- und Annäherungsverboten gekommen ist." Bei Nicht-Einhaltung dieser Maßnahme drohen den Betroffenen Strafen, so der Innenminister. Der Kostenpunkt für diese Beratungen betrage für vier Jahre rund 10,6 Millionen Euro. Wie schon zum Auftakt des Gewaltschutzgipfels appellierte der Ressortchef erneut an die Bevölkerung und Betroffenen, im Fall des Falles jedenfalls den Polizei-Notruf 133 zu wählen: "Wichtig ist, dass Sie uns rufen."

Raab verwies auch auf das aufgestockte Budget ihres Ministeriums. Für alle Projekte im Bereich des Gewaltschutzes gebe es eine Erhöhung um zwölf Prozent, sagte sie. Zusätzlich stehen aus dem Budget des Frauenministeriums 3,25 Millionen Euro zusätzlich für weitere 33 Projekte zum Gewaltschutz zur Verfügung, sagte sie.

Rufe nach mehr Mittel und Ausbau von Beratung

Zahlreiche Parteien und NGOs haben am Dienstag anlässlich des Gewaltschutzgipfels und des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November sowie der darauffolgenden "16 Tage gegen Gewalt" Forderungen zur Verbesserung der Situation von betroffenen Frauen und Mädchen aufgestellt. Die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS wollen weitere Maßnahmen und mehr finanzielle Mittel, die Grünen betonten die unter ihrer Regierungsbeteiligung erzielten Schritte.

"Gewalt gegen Frauen ist kein privates, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem", sagten SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek in einer Aussendung. Die Coronakrise habe diese Situation zusätzlich verschärft. Beide verwiesen darauf, dass im Jahr 2019 von der Polizei österreichweit 8.748 Betretungsverbote gemeldet wurden. Insgesamt 19.943 Opfer familiärer Gewalt seien von den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut worden. 83 Prozent der Opfer waren Frauen und Mädchen und 90 Prozent der Gefährder waren männlich, so die SPÖ. Im Mittelpunkt der Forderungen steht ein rascher Ausbau der Frauenberatungseinrichtungen, auch verlangt die SPÖ ein "Gewaltschutz-Sofortpaket" in der Höhe von fünf Millionen Euro.

Jede fünfte Frau von Gewalt betroffen

Die grüne Frauensprecherin Meri Disoski wies darauf hin, dass jede fünfte Frau in Österreich von Gewalt betroffen ist. Die grüne Regierungsbeteiligung habe "gerade im Bereich Gewaltschutz zahlreiche Verbesserungen bewirkt", etwa die wiederholte Aufstockung des Frauenbudgets, die Beratungs- und Gewaltschutzorganisationen zugutekomme. "Gerade die Finanzierung der Prozessbegleitung von Kindern und Jugendlichen wurde lange von Expertinnen gefordert und jetzt von Bundesministerin Alma Zadic umgesetzt." Erfreut zeigte sich Disoski von der ab Juli 2021 verpflichtenden Anti-Gewalt-Beratung für Täter.

Auch NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter betonte, dass der Lockdown die Gefahr für Frauen erhöht habe. "Die Corona-Maßnahmen sind leider auch ein Multiplikator für häusliche Gewalt." Der Gewaltschutzgipfel sei ein guter Anfang. Die Forderung der NEOS, Frauenberatungsstellen und Experten einzubeziehen, sei damit umgesetzt worden. Die präsentierten Maßnahmen könnten aber "nur die ersten Schritte" darstellen, Brandstötter sieht vor allem beim Budget Handlungsbedarf: So würden etwa die Beratungsstellen dringend mehr Geld brauchen.

Die Bundesjugendvertretung (BJV) forderte unterdessen gezielte Sofortmaßnahmen für betroffene Frauen und Kinder. BJV-Vorsitzende Caroline Pavitsits wünscht sich u.a. mehr Mittel für den Ausbau von Frauenhäusern und Frauenhelplines. Gewalt an Frauen und Mädchen sei die "größte Pandemie schlechthin", sagte die Geschäftsführerin der Autonomen Frauenhäuser Österreichs und Leiterin der Frauenhelpline (0800 222 555), Maria Rösslhumer. Corona verstärke die Situation noch mehr: Bei der Frauenhelpline seien die Anrufe seit März um 40 Prozent gestiegen, die Betretungsverbote hätten um 22 Prozent zugenommen. "Wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist, weil viele Frauen nicht die Möglichkeit haben dem Gewalttäter zu entfliehen", so Rösslhumer.

FPÖ: "Tropfen auf den heißen Stein"

Der FPÖ gehen die Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen zu wenig weit. Die von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) angekündigte Aufstockung des Budgets sei lediglich "ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker am Dienstag. "Nicht nachvollziehbar" sei, warum die verpflichtende sechsstündige Beratung für Gefährder erst ab Juli 2021 starten soll, erklärte sie in einer Aussendung.

(APA/red)

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