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Geschmiert? - Sloweniens Premier am politischen Abgrund

Wie viele andere Völker auch neigen die Slowenen dazu, ihre internen Probleme zu überschätzen.

Doch die Bombe, die ein finnischer Fernsehbericht am gestrigen Dienstag in Laibach platzen ließ, verdient zweifellos die von der Tageszeitung “Delo” geprägte Bezeichnung “Affäre des Jahrzehnts”. Niemand geringerer als Regierungschef Janez Jansa soll vom finnischen Rüstungskonzern Patria geschmiert worden sein, berichtete der Sender. Knapp drei Wochen vor der Parlamentswahl steht der konservative Politiker, der von Gegnern und Kommentatoren schon mehrmals totgesagt wurde, wieder am politischen Abgrund.

Die Affäre um den Ankauf von 135 Patria-Radpanzern durch die slowenische Armee köchelt schon seit Monaten. Eine parlamentarische Untersuchung verlief im Sand, doch fachten finnische Ermittlungsergebnisse die Affäre immer wieder aufs Neue an. Der Vorwurf: Patrias slowenischer Konkurrent Sistemska tehnika soll mit Schmiergeldern an Vertreter des Verteidigungsministeriums ausgestochen worden sein.

Großes öffentliches Interesse rief die sperrige Thematik bisher nicht hervor, schließlich war mit knapp 300 Mio. Euro weit weniger Geld im Spiel als etwa bei den milliardenschweren österreichischen Eurofightern. Und auch in Slowenien hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass bei den meisten Rüstungsdeals geschmiert wird. Entsprechend konnte sich Verteidigungsminister Karel Erjavec, bisher die Hauptzielscheibe der Kritik, bis dato fest im Sattel halten.

Doch seit Montagabend ist alles anders. Ein Regierungschef als Schmiergeldempfänger – “so einen Vorwurf hat es in der neueren europäischen Geschichte noch nicht gegeben”, schreibt “Delo”. Doch gerade das glaubt der finnische Enthüllungsjournalist Magnus Berglund im Fall Jansas anhand von Patria-Unterlagen belegen zu können. “Wir hätten niemals gedacht, dass die Geschichte so weit hinaufreicht”, gab sich Berglund, der den Praktiken von Patria eineinhalb Jahre auf der Spur war, selbst überrascht über seine Entdeckung. “Das ist kein Wirtschaftsskandal mehr, das ist ein politischer Skandal”, sagte der TV-Journalist der Laibacher Tageszeitung “Delo” (Mittwochsausgabe).

Jansa reagierte in scharfen Worten auf den TV-Bericht, den er als “Lüge” und “Konstrukt” zurückwies. Der Überbringer der schlechten Nachricht wurde umgehend zur Zielscheibe der Kritik in regierungsnahen Medien. So wies die amtliche Nachrichtenagentur STA auf den sozialdemokratischen Hintergrund des Direktors des öffentlich-rechtlichen finnischen Senders YLE hin, und stellte damit implizit eine Verbindung zu den slowenischen Sozialdemokraten her. Erjavec, der von Berglund interviewt worden war, monierte, dass dieser “schlecht und einseitig informiert” gewesen sei. Jansa wiederum sagte, Berglund seien die Vorwürfe “von slowenischer Seite in den Mund gelegt worden”. Und am Mittwoch tauchte dann auch noch der Name von Blaz Zgaga auf, der in Laibach als “Reiseführer” für Berglund fungiert haben soll.

Der Journalist der Tageszeitung “Vecer” ist über die Grenzen Sloweniens bekannt als jener Mann, der im Vorjahr die Journalistenpetition gegen die Jansas Regierung angelasteten Eingriffe in die Medienfreiheit lanciert hatte. Zgagas Petition stürzte Jansa im Herbst in ein Popularitätstief. Die Wähler verpassten ihm im November eine schallende Ohrfeige, indem sie den linksgerichteten Quereinsteiger Danilo Türk mit Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Jansas hoch favorisierten Kandidaten Lojze Peterle zum Staatspräsidenten wählten. Damals sah sich Jansa gezwungen, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen – wenige Wochen vor Beginn der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2008.

Zwei Monate nach dem Abschluss des Ratsvorsitzes sitzt Jansa tiefer in der Tinte als je zuvor. Kommentatoren bezeichnen ihn wieder als “politisch tot”, wie schon im Vorjahr oder nach seiner Absetzung als Verteidigungsminister im Jahr 1994, als Heeresagenten widerrechtlich eine Zivilperson verschleppt hatten. Damals begann für den Helden des slowenischen Unabhängigkeitskriegs gegen Jugoslawien eine lange politische Durststrecke als Oppositionspolitiker, die erst mit dem Sieg bei der Parlamentswahl 2004 endete.

Beobachter spekulieren bereits heftig über einen spektakulären Befreiungsschlag des konservativen Politikers nach dem Vorbild der Vertrauensfrage, mit der er die Opposition im vergangenen November am falschen Fuß erwischte. So wird in Laibach offen über die Entlassung von Verteidigungsminister Erjavec diskutiert, und auch eine Klage in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro gegen YLE steht im Raum. Zugetraut wird Jansa sogar ein taktisch motivierter Rücktritt kurz vor dem Urnengang – in der Hoffnung, dass die Wähler am 21. September ihm mehr Glauben schenken werden als dem finnischen Journalisten.

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