Gerüchte um Estibaliz C. in Porno-Film: Presserat hat "Österreich" im Visier
Wie der Österreichische Presserat in einer Aussendung am Freitag bekanntgab, beschäftigte sich der Senat 1 in seiner letzten Sitzung mit den Artikeln “Wilde Gerüchte über “Esti”-Porno” und “Spielte Esti in einem Sexfilm mit?”. Diese beiden Artikel über die inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilte Doppelmörderin Estibaliz C., die beinahe ident sind, erschienen am 21. und am 22. November 2012 in der Print-Ausgabe der Tageszeitung “Österreich” bzw. auf dem dazugehörigen Online-Portal “www.oe24.at”.
Estibaliz C. ohne stichhaltige Beweise verleumdet
Wie der Presserat angibt, wurde in den Artikeln berichtet, dass im Gerichtssaal während des Mordprozesses von Estibaliz C. das Gerücht die Runde gemacht hätte, dass die Angeklagte bei Porno-Filmen mitgewirkt habe, und dass ein entsprechender Film ins Internet gestellt worden sei.
“Es wird angemerkt, dass zwischen der Person des Filmes und Estibaliz C. ‘eine große Ähnlichkeit’ bestehe und beide ‘wilde Locken, eine operierte Nase und volle Lippen’ hätten. Stichhaltige Belege, dass Frau Estibaliz C. an einem pornografischen Film mitgewirkt hat, werden nicht erwähnt”, so der Presserat.
Kannte Österreich wahre Identität der Porno-Darstellerin?
Besonders pikant: Am Tag des Erscheinens des zweiten dieser Artikel in “Österreich” gab es eine Replik auf die Behauptungen rund um Estibaliz C. auf Kobuk, einem “Medienwatchblog” von Studenten am Publizistikinstitut der Uni Wien. Unter dem Titel “‘Esti” und die Pornofantasien der ‘Österreich’-Redaktion” erschien auf der Website ein Artikel, in dem konstatiert wird, dass “Österreich” die Behauptung, dass es sich bei der Darstellerin des kolportierten Pornofilms um Estibaliz C. handle, im vollen Wissen getätigt habe, dass dem nicht so sei. Dahinter sollen taktische Überlegungen zur Gewinnung hoher Leserzahlen gestanden sein.
Zur angeblich bekannten Identität der Person, die tatsächlich in dem Film mitgewirkt hat, wird dort angemerkt: “Die Darstellerin (…) ist Britin. Sie nennt sich Lynda Leigh (…) und ist nach offiziellen Angaben mind. 12 Jahre älter als die Angeklagte in unserem Mordprozess. Es ist also nach menschlichem Ermessen völlig ausgeschlossen, dass die beiden Damen ident sind.”, so Kobuk.
Presserat: Verstoß gegen den Ehrenkodex
Der Presserat äußert in diesem Zusammenhang Folgendes: “Auch wenn bei dem Autor/der Autorin/den Autoren ernstzunehmende Zweifel vorhanden gewesen zu sein scheinen, dass es sich bei der Person des Films tatsächlich um Frau Estibaliz C. handelte, bleibt in den Artikeln die Möglichkeit offen, dass Frau Estibaliz C. in einem derartigen Film mitgewirkt hat. Dies bewertete der Senat auch als Eingriff in die Intimsphäre im Sinne des Punktes 6.1 des Ehrenkodex.”
Der Verein äußerte sich weiters darüber, dass bei der Verbreitung von Gerüchten die Medien besondere Verantwortung zukomme. “Aus ethischer Sicht dürfen dubiose Behauptungen nicht einfach in ein Gerücht gegossen werden und von einem Medium gebracht werden. Ein öffentliches Interesse an der Information konnte der Senat hier nicht erkennen,” hieß es. Weitere Details über die Entscheidung des Presserates in der Causa “‘Österreich’ gegen Estibaliz C.” sind auf der Homepage des Vereins zu finden.
Artikel inzwischen offline
Zumindest dürfte das Blatt sich inzwischen insofern von den damals getätigten Gerüchten über Estibaliz C. distanzieren wollen, dass die beiden auf “www.oe24.at” erschienenen Artikel inzwischen nicht mehr verfügbar sind – offenbar hat man sie, möglicherweise auch im Zuge der Brisanz der aktuellen Diskussion darüber, offline genommen.