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Gerhard Schröder feiert seinen 60. Geburtstag

Seinen Italien-Urlaub hat der deutsche Kanzler im vergangenen Jahr noch aus Ärger über antideutsche Bemerkungen abgesagt. Doch das ist längst vergessen.

Jetzt feiert Italien-Fan Gerhard Schröder dort sogar seinen 60. Geburtstag. Zusammen mit Ehefrau Doris und deren Tochter Klara ist der Kanzler im Osterurlaub, während in Berlin die Glückwünsche zu seinem Geburtstag am 7. April eingehen. AFP dokumentiert aus diesem Anlass den Lebensweg Schröders:

Im Alter von ZEHN JAHREN wohnte der kleine Gerhard mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf im Lippischen. „Arm wie die Kirchenmäuse“ sei die Familie gewesen, erzählt Schröder später. Der Vater war im Krieg gefallen. Seine Mutter bewundert er dafür, wie sie die Familie mit Putzjobs und Hilfsarbeiten über Wasser hält. In die Oberschule kann Gerhard nicht gehen, dafür fehlt das Geld. Diese Zeit prägt Schröder so sehr, dass er noch heute oft daran erinnert, dass er „am eigenen Leib erfahren“ habe, was es bedeute, sich Chancen erkämpfen zu müssen. Daher komme wohl auch sein Ehrgeiz.

Als Schröder ZWANZIG JAHRE alt wird, ist er schon dabei, sich eine wichtige Tür nach oben zu öffnen. 1964 macht er in Göttingen die mittlere Reife nach, auf dem zweiten Bildungsweg, im Abendstudium. Zuvor hat er sein Geld bereits als Eisenwarenhändler und Bauhilfsarbeiter verdient. Seit einem Jahr ist Gerhard auch Genosse. Bei den Jusos engagiert er sich seit 1963. Mit seinen alten Freunden vom Fußballclub TuS Talle trifft er sich trotzdem noch. Gerhard, den Mittelstürmer, nennen sie damals „Acker“ – weil er so richtig „den Strafraum des Gegners durchpflügte“, wie ein Mannschaftskamerad erzählte.

Mit DREISSIG JAHREN macht Schröder schon Karriere. Sein erstes juristisches Staatsexamen hat er hinter sich. Zwei Jahre später wird er als Rechtsanwalt in Hannover zugelassen. In diesem SPD-Bezirk ist er seit 1971 auch Juso-Chef. Als „Bürgerschreck“ wird er heute noch beschrieben, wenn es um die 70er Jahre geht. Dabei vertritt er keineswegs die radikalste Linie der SPD-Linken. Vielmehr sorgt er als Juso-Chef ab 1978 für ein entspannteres Verhältnis zwischen Bundespartei und Nachwuchs.

Beim VIERZIGSTEN GEBURTSTAG sind die wilden Jahre im Prinzip vorbei. Schröder wird SPD-Spitzenkandidat für die niedersächsische Landtagswahl und in der Opposition der Fraktionschef. Wie steil er nach oben strebt, hat er freilich schon zwei Jahre zuvor – in Feierlaune – in Bonn demonstriert. Am Zaun des Kanzleramts rüttelte der Niedersachse und schrie: „Ich will da rein!“ Doch das dauert noch.

Mit FÜNFZIG JAHREN hat Schröder seinen Titel als „Genosse der Bosse“ weg. Nach vier Jahren als Ministerpräsident in Niedersachsen gilt er als Mann der Wirtschaft. Mit den Grünen kam es deshalb zum Streit in der Koalition. Doch ab 1994 kann Schröders SPD in Niedersachsen allein regieren – und der einstige Juso organisiert zum Beispiel einen „Auto-Gipfel“ in Bonn. Zwar wählt ihn die Partei bei einer Mitgliederbefragung nicht zum SPD-Chef und Kanzlerkandidaten. Doch Gewinner Rudolf Scharping holt ihn als „Superminister“ für Wirtschaft in sein Schattenkabinett. Nach der verlorenen Bundestagswahl 1994 bildet Schröder mit Scharping und Oskar Lafontaine die „Troika“ der SPD, die bald zerbricht. Mit Dauer-Querschüssen treiben er und andere Kritiker Scharping aus dem Amt und Lafontaine wird 1995 SPD-Chef. Schröder aber bleibt in Wartestellung.

Wenn Schröder jetzt zu seinem SECHZIGSTEN GEBURTSTAG auf die vergangenen Jahre zurückblickt, wird er womöglich wehmütig feststellen, dass er den Zenit seiner Macht schon überschritten hat. Nach einem fulminanten Wahlsieg in Niedersachsen ruft ihn die SPD 1998 zum Kanzlerkandidaten aus. Dann wird sein Traum wahr: Im Herbst zieht er ins Kanzleramt ein. Holprig ist der Start als Kanzler, Fehler seiner Minister und der Rücktritt Lafontaines prägen die erste Zeit. Im Jahr 2000 steht der Kanzler und inzwischen auch SPD-Chef aber sicher an der Spitze – nur währt diese Zeit nicht lange. Infolge der Wirtschaftskrise wird Schröders „Macher-Image“ erschüttert und obwohl er 2002 noch einmal die Wahl für sich entscheiden kann, steht er seither unter Druck. Vor kurzem erst gab er deshalb sein Amt als Parteichef auf. Zuletzt gehen Hunderttausende gegen Schröders Reformpolitik auf die Straße – er selbst hat sich zu dem Zeitpunkt schon in seinen Italien-Geburtstagsurlaub verabschiedet.

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