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Geplanter Waffenkauf eines Terrorverdächtigen blieb straflos

An eine AK-47 wollte der terrorverdächtige St. Pöltner kommen.
An eine AK-47 wollte der terrorverdächtige St. Pöltner kommen. ©Reuters, AP
Als der Leiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, am vergangenen Sonntag im Zusammenhang mit einem mutmaßlich geplanten Anschlag auf die Wiener Regenbogenparade die Festnahme von drei Tatverdächtigen verkündete, verwies er darauf, einer der Burschen sei bereits im Fokus des Verfassungsschutzes gestanden.
Diskussion um Messenger-Dienste

Mittlerweile ist klar, weshalb: der 17-Jährige dürfte schon 2022 versucht haben, über WhatsApp eine Kalaschnikow zu kaufen.

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Im November 2022 erging über die Staatsanwaltschaft St. Pölten unter anderem zu dem versuchten Ankauf einer AK-47 eine Ermittlungsanordnung gegen den in St. Pölten wohnhaften Jugendlichen wegen des Verdachts auf terroristische Vereinigung, kriminelle Organisation und gefährliche Drohung. Das niederösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) führte umfangreiche Erhebungen und Befragungen durch, bei seiner Beschuldigteneinvernahme stellte der 17-Jährige in Abrede, er habe ein Sturmgewehr kaufen wollen. Es habe sich dabei um einen "Scherz" gehandelt. Tatsächlich wurde das Verfahren gegen den mutmaßlichen Islamisten von der Staatsanwaltschaft St. Pölten am 17. Februar 2023 eingestellt.

Leopold Bien, Sprecher der Anklagebehörde in der niederösterreichischen Landeshauptstadt, bestätigte das am Mittwoch auf APA-Anfrage. Die dem Verfahren zugrunde liegende Verdachtslage habe sich nicht erhärtet. Aus Chats habe sich keine strafrechtliche Relevanz ergeben.

Exakt zehn Tage danach warnte allerdings ein ausländischer Partnerdienst die DSN erstmals vor einem in Österreich aufhältigen Unterstützer der radikalislamistischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) mit dem Spitznamen "Abdullah", der in Kontakt mit Islamisten in Belgien und der Ukraine stünde. "Eine andere Verdachtslage", sagte dazu Bien am Mittwoch. Die in Belgien aufhältige Kontaktperson war Mitte Februar von den belgischen Behörden festgenommen worden, weil dieser Mann einen Terror-Anschlag auf eine Kathedrale in Brüssel geplant haben soll.

Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion für Staatschutz und Nachrichtendienst DSN, sprach am Montag in der ZIB 2 über den vereitelten Anschlag auf die Pride Parade und zum Thema Online-Überwachung.

Hinweis aus dem Ausland

In weiterer Folge soll "Abdullah" mit der ukrainischen Kontaktperson für das Frühjahr 2023 ein Terror-Attentat geplant haben, wobei "Abdullah" als Anschlagsziel die Regenbogen-Parade in Wien, die sich für die Rechte der LGBTI+-Community stark macht, ins Treffen führte - entsprechende Informationen lieferte jedenfalls der ausländische Partnerdienst am 7. März den heimischen Behörden, offenbar unter Auswertung von über Messenger-Dienste übertragene Daten. Der ausländische Nachrichtendienst verwies außerdem darauf, dass "Abdullah" den Ankauf einer AK-47 sowie einer Machete in Tschechien plane. Just eine nachgebaute AK-47 sowie eine Machete hatte bekanntlich der Wien-Attentäter vom 2. November 2020 verwendet, der in der Innenstadt vier Menschen tötete, ehe er von der Polizei erschossen worden.

Den nunmehr vorliegenden Erhebungsergebnissen zufolge soll es sich nach Ansicht der Ermittlungsbehörden bei "Abdullah"zweifelsfrei um den 17-jährigen St. Pöltner handeln, an dessen Adresse am vergangenen Wochenende auch eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Dabei wurden neben Datenträgern auch verbotene Waffen sichergestellt. Für den Burschen gilt die Unschuldsvermutung - ebenso wie für seinen auf freiem Fuß befindlichen 20 Jahre alten Bruder sowie einen 14-Jährigen HTL-Schüler aus Wien. Über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen die Haftentlassung des 20-Jährigen muss das Oberlandesgericht (OLG) Wien entscheiden.

IS-Gruppe auf Telegramm

Die drei sollen einer radikalislamistischen, international zusammengesetzten Telegram-Gruppe mit rund zehn Teilnehmern angehört haben, die sich dem IS bzw. dem in Süd- und Zentralasien aktiven "Islamischen Staat in der Provinz Khorasan" (ISKP) verpflichtet fühlten. In der Chat-Gruppe sollen unter anderem Anschlagspläne erörtert worden sein, der 14-Jährige soll auf sein Smartphone eine Anleitung zum Bau einer Sprengvorrichtung heruntergeladen und Ausreisepläne verfolgt haben, um sich als Kämpfer dem IS anzuschließen.

Das bestreitet sein Verteidiger Andreas Schweitzer, der am Dienstagabend gegenüber Medienvertreterinnen und -vertretern versicherte, sein Mandant habe "sicher keinen Anschlag auf die Parade geplant" und die Schule abschließen wollen.

Schweitzer räumte ein, der 14-Jährige Bruder habe sich einer Chat-Gruppe "über den IS informiert und Gräuelvideos geschaut", aber keine terroristischen Absichten verfolgt. Der Anwalt des 17-Jährigen reagierte bisher nicht auf wiederholte Bitten der APA um eine Stellungnahme.

14-Jähriger befragt

In seiner ersten Beschuldigtenvernehmung unmittelbar nach seiner Festnahme hatte sich der inhaftierte 14-Jährige als gläubiger Moslem bezeichnet, aber radikale Tendenzen und Sympathien für den IS bestritten. Er bete fünf Mal täglich, gehe "ab und zu zum Freitagsgebet" und besuche eine Moschee in Wien-Liesing. Sein Wissen über Religion habe er über Youtube und TikTok bezogen, gab der 14-Jährige zu Protokoll.

In dem radikalislamistischen Chat, der zu seiner Festnahme führte, hatte sich der Bursch "Abu Usama" genannt. Auf die Frage, weshalb er sich dort aufhielt, gab er an, er sei "sehr dumm" gewesen. "Möglicherweise" habe er auch IS-Propagandamaterial und eine Bombenbauanleitung heruntergeladen. Er sei "sehr neugierig" gewesen: "Ich wollte einfach wissen, was die so teilen." Er habe auch Postings verfasst.

In der Chat-Gruppe dürften sich neben den drei jungen Österreichern, dem Mitte Februar in Belgien festgenommenen Islamisten und dem Ukrainer, der offenbar die Gruppe leitete, zwei in Frankreich lebende Männer sowie in der Türkei und in England aufhältige Extremisten versammelt und ein Länder übergreifendes Netzwerk gebildet haben. Der Ukrainer nannte sich "Abu Hurayrah", den Angaben des 14-Jährigen zufolge soll dieser im Chat einen terroristisch motivierten Selbstmordanschlag angekündigt haben: "Abu Hurayrah hat gesagt, dass er sich hochjagen will. Ich denke, dass er sich in einem Auto in die Luft sprengen würde. Er hat auch einem Nutzer namens Ismail (...) gesagt, dass er sich auch in die Luft sprengen soll. Dann haben sie ausgemacht, dass sie in einem Privatchat weiterschreiben. Ich kann mich nicht erinnern, ob es auch um andere Arten von Anschlägen ging."

Der 14-Jährige betonte in seiner Befragung, er habe sich demgegenüber "sicher nicht" in die Luft sprengen wollen, denke aber, dass "Abu Hurayrah" das von ihm gewollt habe. "Ich wollte definitiv keinen Anschlag begehen", versicherte der Schüler den Beamten. Die Bombenbauanleitung auf seinem Handy habe er "durch einen Bot in einer Telegramgruppe heruntergeladen", aber nicht weitergeschickt ("Das wäre blöd"). Auf die Frage, was er von der Regenbogen-Parade der LGBTIQ+-Community und den an dieser teilnehmenden Menschen halte, erwiderte der 14-Jährige: "Ich bin kein Fan davon, ich mag sie eigentlich nicht. Ich weiß aber nicht viel darüber und will da nicht ins Detail gehen."

(APA)

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