Genscher würdigt DDR-Botschaftsflüchtlinge in Prag

Die Ausreise von DDR-Bürgern aus dieser und anderen Botschaften hätte eine große Signalwirkung gehabt: “Das Volk in der DDR ließ sich nicht länger einsperren.”
Genscher sagte, der Tag sei für ihn unvergesslich. Er sei unendlich dankbar und demütig, dass er an der Freilassung habe mitwirken können. Der damalige deutsche Kanzleramtsminister Rudolf Seiters sagte, auch für ihn gehörten die Ereignisse in Prag zu den emotionalsten in seinem Leben.
Beide Politiker erinnerten zugleich an die schwierige Situation in der Botschaft: Die Menschen hätten auf den Treppen ausharren müssen, der Garten sei verschlammt gewesen. Manch einer habe die Hoffnung wohl schon aufgegeben, sagte Genscher.
Am 30. September 1989 war der damalige FDP-Außenminister kurz vor 19 Uhr auf den Botschafts-Balkon im Palais Lobkowitz getreten und hatte sich an die im Garten ausharrenden DDR-Flüchtlinge gewandt. “Liebe Landsleute”, rief er den Menschen zu, “wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…” Der Rest der Ansprache ging im Jubel unter.
Die bewegenden Bilder von den Flüchtlingen, die sich in den Armen lagen und vor Erleichterung weinten, gingen um die Welt. Noch in der Nacht begann die Ausreise über das Gebiet der DDR in den Westen. Rund 5.000 Menschen hatten tage- und manchmal wochenlang auf dem Gelände der Botschaft ausgeharrt, um aus der DDR zu fliehen.