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Genf: WTO-Gespräche endeten

Nach fünftägigem Verhandlungsmarathon sind die WTO-Gespräche über eine weitere Liberalisierung des Welthandels in Genf mit einer historischen Einigung zu Ende gegangen.

Das von Vertretern aus 147 reichen und armen Ländern in Genf verabschiedete Rahmenabkommen sieht einen Abbau von Milliarden schweren Agrarsubventionen und eine weiter gehende Öffnung der Weltmärkte für Industriegüter vor. Die Abschlussverhandlungen sollten in einer Sitzung am Sonntag formal aufgenommen werden.

Mit dem Rahmenabkommen werden zugleich wesentliche Richtlinien festgelegt für die künftigen Verhandlungen im Rahmen der so genannte Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO), die seit dem Scheitern der Ministerrunde in Cancun (Mexiko) im vergangenen September nicht von der Stelle gekommen ist. Ein erfolgreicher Abschluss der Runde könnte der Weltwirtschaft nach Einschätzung von Experten Milliarden Dollar zufließen lassen.

Politiker und Wirtschaftsvertreter verschiedener Länder hatten in den vergangenen Tagen wiederholt gewarnt, ein Misserfolg in Genf würde die Bemühungen über einen freieren Welthandel erneut verzögern. Die Weltwirtschaft könnte dann nicht die zusätzlichen Wachstumsimpulse von der WTO erhalten, wie man sie erhoffe.

„Besser spät als nie“, sagte WTO-Sprecher Keith Rockwell vor Journalisten nach dem Abschluss der Beratungen. „Das ist ein historischer Augenblick für diese Organisation“, freute sich WTO-Chef Supachai Panitchpakdi. „Das ist der Anfang vom Ende der (Agrar-)Subventionen. Als erstes werden die Export-Subventionen fallen“, sagte der brasilianische Außenminister Celso Amorim.

Brasilien gehört wie Indien zur Gruppe der 20 Entwicklungs- und Schwellenländer (G20), die damals in Cancun mit ihren massiven Vorwürfen gegen die reichen Industrieländer und ihre Subventionspolitik wesentlich zum Scheitern beigetragen hatten.

Nach intensiven Verhandlungen stimmten die Vertreter der Industriestaaten, darunter die USA, die EU und Japan, nun aber einer Eliminierung der Exportsubventionen im Grundsatz zu. Ein Datum dafür wurde jedoch noch nicht festgelegt.

Eine Einigung für den Agrarsektor hatte schließlich den Weg für eine ähnliche Verständigung bei den Industrie-Produkten und für Entwicklungsfragen bereitet. Dies hatte die WTO als Basis für die vorgesehenen, detaillierteren Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde verlangt.

EU-Handelskommissar Pascal Lamy sagte, er könne sich vorstellen, dass die Doha-Runde bis Ende 2005 zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden könnte. Dies erscheine nach der Beschleunigung, die man in den vergangenen Wochen bei der Thematik habe sehen können, durchaus im Rahmen des Möglichen, sagte Lamy.

Nach Einschätzung von Weltbank-Experten kann es bis zum Abschluss der Doha-Runde jedoch auch noch Jahre dauern. Ein Endziel all der Bemühungen soll sein, durch Handelsliberalisierung weltweit für Milliarden Menschen einen Weg aus der strukturellen Armut zu öffnen.

Der deutsche Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) begrüßte die erfolgreichen Verhandlungen. Clement sagte, von Genf gehe ein positives Signal für weitere Verhandlungen aus. „Ich freue mich, dass die WTO-Mitglieder die Chance genutzt haben, noch vor den Wahlen in den USA und dem Wechsel der Europäischen Kommission einen substanziellen Fortschritt der Welthandelsrunde zu erreichen.“

Der französische Landwirtschaftsminister Herve Gaymard und der Außenhandelsbeauftragte Francois Loos erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, der Kompromisstext berücksichtige Verbesserungen im Agrarbereich entsprechend den Forderungen des EU-Ministerrats. Loos fügte vor Journalisten hinzu, die Einigung sei „zufriedenstellend und ausgeglichen“.

Ein US-Vertreter betonte, der Kompromiss sei ein Gewinn für alle Beteiligten, von Exporteuren über Konsumenten bis hin zu den Entwicklungs- und Industrieländern. Der indische Handelsminister Kamal Nath sagte, sein Land erwarte von der Einigung einen Impuls zu einem vollständigen Abbau der Agrarsubventionen, die Entwicklungsländer benachteiligten. Die laufende Welthandelsrunde sei „gewiss gerettet“ worden, sagte der Schweizer Bundespräsident und Wirtschaftsminister Joseph Deiss vor Journalisten. „Das ist ein entscheidender Schritt für eine Öffnung der Weltwirtschaft, die allen Ländern zugute kommt“, so Deiss.

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