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Gemeinde muss Zinsen zahlen

(VN) Lochau - Vorerst letztes Kapitel im „Sichtfensterstreit“: Lochau muss 400.000 Euro zahlen.

Jahrelang wurde gestritten, das letzte Wort ist noch immer nicht gesprochen. Die Rede ist vom Lochauer „Sichtfensterstreit“. Der Oberste Gerichtshof hat nun entschieden, was die Gemeinde immer für unmöglich hielt: Lochau muss den Grund­eigentümern aus Steuergeldern Zinsen – Bürgermeister Xaver Sinz bestätigt die Summe von knapp 400.000 Euro – zurückzahlen.

Rück-Rückwidmung
Die Vorgeschichte: Vor über zehn Jahren widmete die Gemeinde Lochau ein 6700 Quadratmeter großes Grundstück in Seenähe von Bauland in Freifläche um. Denn die Liegenschaft sollte unbebaut ein „Sichtfenster“ vom Dorfzentrum bis zum Bodensee ermöglichen. Die Eigentümer klagten daraufhin und wollten rund zwei Millionen Euro Entschädigung. Nach jahrelangem Rechtsstreit und mehreren Entscheidungen für die Kläger, darunter ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH), widmete die Gemeinde den Grund 2009 wieder in Bauland um. Denn die Entschädigung hätte sie sich nicht leisten können. Der Rechtsstreit war damit allerdings noch nicht beendet. Denn die Grundstückseigentümer forderten die ihnen in all den Jahren entgangenen Zinsen von der Gemeinde ein. Dass ihnen dieses Geld zusteht, hat jetzt der OGH entschieden.

Klage verloren
„Die Gemeinde hat die Klage rechtskräftig verloren“, sagt Karl Schelling, Anwalt der Grundstückseigentümer. Man warte derzeit noch auf die entsprechende Rechnung, erklärt Sinz. „Wenn sie da ist, muss bezahlt werden. Für mich ist das abgeschlossen“, kündigt der Bürgermeister an. Die Summe sei im aktuellen Budget, das am 11. Februar in der Gemeindevertretungssitzung beschlossen wird, reserviert. „Es ist klar, dass es das Gemeindebudget belastet. Jeder Euro belastet es“, merkt er an. Das Urteil nachvollziehen kann Sinz nicht. Denn viele Berater und auch Rechtsanwälte hätten ihm immer wieder bestätigt, dass die Vorgehensweise der Gemeinde richtig sei. „Auch wenn man recht hat, bekommt man vor Gericht nicht immer recht. Aber“, so fügt er hinzu, „in die Gerichte habe ich sowieso kein Vertrauen mehr.“
Von einem definitiven Ende des „Sichtfensterstreits“ will Anwalt Schelling noch nicht sprechen: „Erst wenn wir das Geld haben, ist der Fall erledigt.“ Ein wenig Schadenfreude kann er sich nicht verkneifen: „Als es angefangen hat, hieß es von allen Politikern: Wir können nicht verlieren. Im Notfall widmen wir das Grundstück einfach wieder zurück. Es scheint, dass sich diese freche Aussage nicht bewahrheitet hat.“

Novelle Raumplanungsgesetz
Auch der Lochauer Sichtfensterstreit hat dazu beigetragen, dass das Raumplanungsgesetz derzeit novelliert wird. Wegen Dutzender Stellungnahmen verzögert es sich um mehrere Monate. „Mittlerweile ergeben die Stellungnahmen ein Kompendium von knapp 100 Seiten“, erklärt Landesrat Siegi Stemer zuletzt auf Anfrage. Die Novelle solle auch den Grundeigentümern mehr Rechte einbringen, etwa durch die Einführung eines unabhängigen Beirats. Ein ähnlicher Fall wie in Lochau soll aber zukünftig vermieden werden. „Denn dass Grundeigentümer durch Umwidmung entgangene Zinsen einklagen können, ist laut dem im Vorjahr vorgelegten Entwurf nicht mehr möglich“, merkt Schelling an.

Chronologie

Sichtfensterstreit in Jahreszahlen:

1995: Vorstellung des Gewinnerprojekts zur Neugestaltung des Lochauer Dorfplatzes. Konkrete Vorgaben:
„Das Sichtfenster vom Zentrumsbereich an den See bleibt eine freie Zone“.

2001: Lochau präsentiert das „Räumliche Entwicklungskonzept“(REK), Grundlage für die unmittelbar bevorstehende Überarbeitung des Flächenwidmungsplans und Festlegung der Ziele zur Entwicklung der Gemeinde. Fünf Entwicklungsschwerpunkte werden definiert, darunter der
„Seewiesenpark als ‚grünes Sichtfenster‘ zwischen Gemeindeamt und Seeufer“.

2002: Der Entwurf des überarbeiteten Flächenwidmungsplans sowie das REK werden von allen Fraktionen in der Lochauer Gemeindevertretung einstimmig beschlossen.

2003: Umwidmungen von Bauland durch das Land Vorarlberg.
Februar 2007: Bezirksgericht Bregenz spricht Lochauer Eigentümern eine Entschädigung in Höhe von 1,8 Mill. Euro zu. Lochau legt dagegen Rechtsmittel ein. Bürgermeister Sinz denkt eine Rückwidmung im Falle einer Niederlage an.
Dezember 2007: Berufungsgericht Feldkirch gibt Klägern ebenfalls recht: Lochau soll 1,8 Mill. Euro zahlen. Xaver Sinz kündigt Revision an.

2008: OGH ortet im „Sichtfenster-Urteil“ Mängel im Gesetz und bestätigt in fast allen Punkten die Urteile der vorangegangenen Instanzen. Einschließlich Zinsen und Verfahrenskosten muss Lochau mehr als zwei Millionen Euro an Entschädigung zahlen.

2009: Lochauer Gemeindevertretung beschließt nach OGH-Urteil „Rück-Rückwidmung“. Änderungen im Baugesetz sollen kommen.
Dezember 2010: OGH entscheidet im Lochauer „Sichtfensterstreit“, dass die Gemeinde Entschädigung für entgangene Zinsenzahlenmuss

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