Mit “Harvie Krumpet” hat der Australier Adam Elliot (38) 2004 bereits einen Oscar für den bester Kurz-Trickfilm gewonnen. Für seinen 92-minütigen fünften Knetanimationsfilm “Mary & Max” sollte nun der Trickfilm-Oscar in der Hauptkategorie in Reichweite sein. Denn anders als die großen US-Trickfilmstudios, die auf immer größere Rechnerleistungen und massenkompatible, leichtgewichtige Unterhaltung setzen, ist sein Werk reines Arthouse-Kino ohne Rücksicht auf Verluste an der Kinokasse.
Die achtjährige Mary Daisy Dinkle lebt in Australien, hat keine Freunde, dafür eine alkoholkranke Mutter und einen Vater, der in der Fabrik am Fließband Schnürchen an Teebeutel befestigt und in seiner Freizeit am liebsten tote Vögel ausstopft. In dieser Umgebung sucht man sein Heil in ganz weiter Entfernung: Mary schreibt an die erstbeste Adresse eines New Yorker Telefonbuchs einen Brief. Der Adressat, mit dem sie künftig eine ungewöhnliche, aber auch ungewöhnlich offenherzige Brieffreundschaft verbindet, ist Max Jerry Horowitz, wesentlich älter, doch in seiner winzigen Wohnung ebenso einsam wie das kleine australische Mädchen. Hat der autistische Max erst jene Panikattacken überwunden, die ihn bei jedem unvorhergesehenen Ereignis überfallen, setzt er sich an seine alte Schreibmaschine und antwortet.
Es beginnt eine über viele Jahre gehende, immer wieder von Wechselfällen des Lebens unterbrochene Brieffreundschaft, bei der wir viel über die Welt von Mary (die düster-braun eingefärbt ist) und Max (Grundfarbe: grau) erfahren, ohne, dass sie einander persönlich zu Gesicht bekämen. Der bittere Humor, mit dem das Leben der beiden Figuren erzählt wird, erinnert an Roald Dahl oder die Eddie Dickens-Bücher von Philip Ardagh (“Schlimmes Ende”, “Furcht erregende Darbietungen”, “Schlechte Nachrichten” u.a.), und trifft den Zuseher mitten ins Herz. Zwischendurch darf man für die beiden zwar immer wieder hoffen, doch letztlich bleibt das Leben, was es immer war: unzuverlässig und ungerecht.
Adam Elliot schenkt uns mit seinem tieftraurigen Film zwar ein Meisterwerk des Animationsfilms, aber keine süßliche Wendungen zum Guten, Wahren, Schönen. Dafür hätte der deutschsprachige Verleih sich etwas schenken können – nämlich den Untertitel “oder schrumpfen Schafe wenn es regnet?”. Am besten ignorieren. Und die Original-Version (mit Toni Collette und Philip Seymour Hoffman als Sprecher von Mary und Max und “Dame Edna” Barry Humphries als Erzählstimme) ansehen.