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Gedenken an Rohrbomben-Anschlag auf Roma in Oberwart vor 20 Jahren

In Oberwart wird den Opfern des Anschlags gedacht.
In Oberwart wird den Opfern des Anschlags gedacht. ©APA
Das folgenschwerste innenpolitisch motivierte Attentat in Österreich seit 1945 war der Rohrbomben-Anschlag auf die Roma in Oberwart vor 20 Jahren. Erst im Oktober 1997 wurde der Attentäter Franz Fuchs zufällig bei einer Polizeikontrolle gefasst. Zwischen Dezember 1993 und Dezember 1995 hat er 25 Briefbomben verschickt und zwei Rohrbomben deponiert.
Anschläge in Österreich

Schon im August 1994 hatte Franz Fuchs eine Rohrbombe auf dem Gelände der Rennerschule in Klagenfurt deponiert. Sie detonierte beim Abtransport, der Polizist Theo Kelz verlor beide Unterarme. Mit seiner zweiten Rohrbombe tötete Fuchs im Februar 1995 die vier Roma Josef Simon, Peter Sarközi, Karl Horvath und Erwin Horvath – als sie die Tafel mit der Aufschrift “Roma zurück nach Indien” entfernen wollten.

Attentäter vor Gericht

Vier Jahre später wurde Fuchs vor Gericht gestellt – aber von der Verhandlung ausgeschlossen, weil er ständig laut Hasstiraden und rechtsextreme Parolen brüllte. Zu lebenslanger Haft in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt, beging er am 26. Februar 2000 in seiner Zelle Selbstmord. Dies hatte er schon bei seiner Festnahme durch die Gendarmerie in seinem Heimatort Gralla versucht und dabei beide Arme verloren.

Faymann: “Das ist heute aktueller denn je”

“Dieser schwerste politische Anschlag seit 1945 hat uns gezeigt, dass wir wachsam gegenüber autoritären und antidemokratischen Tendenzen sein müssen. Das ist heute aktueller denn je”, betonte Bundeskanzler Faymann am Vormittag in einer Aussendung. Man lasse es nicht zu, dass extreme Gruppierungen einen Keil in die Gesellschaft treiben. Österreich sei eine Nation der Vielfältigkeit, genau darin bestehe ihre Kraft: “Jede Volksgruppe hat das Recht auf einen fairen, gerechten und respektvollen Umgang.”  Faymann erinnerte daran, dass die Volksgruppe der Roma – die seit 1993 in Österreich als solche anerkannt ist – während der NS-Zeit systematisch verfolgt wurde. 17.000 ihrer Angehörigen wurden im Zuge des Holocausts im sogenannten Zigeunerlager in Auschwitz umgebracht.

Auch Grüne und NEOS gedenken der Opfer

Auch die Grünen und die NEOS gedachten am Mittwoch der Opfer des Rohrbomben-Anschlages in Oberwart vor 20 Jahren. Auch unter Hinweis auf die jüngsten Anschläge in Paris plädierte Grünen-Chefin Eva Glawischnig dafür, “gemeinsam für ein friedliches Miteinander aller Bevölkerungsgruppen” einzustehen und sich als Gesellschaft nicht von Hass und Extremismus spalten zu lassen. Der Oberwarter Anschlag, bei dem vier Roma starben, dürfe niemals vergessen werden, sagte der stv. NEOS-Klubobmann Niki Scherak. Anschläge gegen das Gesellschaftssystem, wie jene in Frankreich, dürften nicht zu Hass gegen Minderheiten führen. ” Intoleranz gegenüber Muslimen hat in Österreich genauso wenig zu suchen, wie der Hitler-Gruß bei einer Demonstration in der Wiener Innenstadt.”

Brief- und Rohrbomben von Franz Fuchs

– 3. 12. 1993: In der oststeirischen Bezirksstadt Hartberg verletzt die erste Briefbombe Pfarrer August Janisch. In der Minderheitenredaktion im Wiener ORF-Zentrum wird Redakteurin Silvana Meixner durch eine Briefbombe verletzt.

– 4. 12. 1993: In der Caritas-Zentrale in Wien wird eine – an den Präsidenten Helmut Schüller gerichtete – Briefbombe entdeckt.

– 5. 12. 1993: Eine Briefbombe verstümmelt die linke Hand des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk. Zwei Briefbomben werden entschärft, eine an den Slowenischen Kulturverein in Bad Radkersburg, eine an die Grün-Politikerin Madeleine Petrovic.

– 6. 12.1993: Im Wiener Handelsgericht taucht eine an die Grüne Migrationssprecherin Terezija Stoisits adressierte Briefbombe auf. Im Posteinlauf des Bundeskanzleramtes wird ein an Frauenministerin Johanna Dohnal adressierter Sprengsatz entdeckt.

Viertes Terror-Opfer wird eine Sekretärin in einer Wiener Anwaltskanzlei. Sie öffnet einen Brief an den “Islamischen Ausländer-Hilfsverein”.

Eine für die ARGE Ausländerbeschäftigung der Wiener Wirtschaftskammer bestimmte Briefbombe wird rechtzeitig abgefangen.

– 24. 8. 1994: Auf dem Gelände der Rennerschule wird eine fünf Kilo schwere Bombe entdeckt. Beim Abtransport verliert der 40-jährige Beamte Theo Kelz beide Unterarme, seine beiden Kollegen werden ebenfalls verletzt.

– 4. 10.1994: Eine einem Mitarbeiter des Gastarbeiterreferats der Diözese Feldkirch zugedachte Briefbombe wird entschärft. Auch Briefbomben an den Klagenfurter Wieser-Verlag und die Hallein Papier AG werden rechtzeitig abgefangen.

– 6. 10. 1994: An den Abt des Stifts Wilten in Tirol wird eine Briefbombe geschickt und entschärft.

– 4./5. 2. 1995: An einer Wegkreuzung in der Nähe einer Roma-Siedlung in Oberwart explodiert eine Sprengfalle. In den frühen Morgenstunden werden die Leichen von vier jungen Männern entdeckt. Sie wollten eine Tafel mit der Aufschrift “Roma zurück nach Indien” entfernen.

– 6. 2.1995: Auf einem Altpapiersammelplatz in der kroatisch-burgenländischen Gemeinde Stinatz explodiert ein Sprengkörper und verletzt einen Mitarbeiter des Umweltdienstes Burgenland.

– 9. 6.1995: In der Redaktion des TV-Senders “Pro 7” in München verletzt eine Briefbombe eine Mitarbeiterin der Adressatin, Moderatorin Arabella Kiesbauer. In Linz wird die Betreiberin eines Partnervermittlungsbüro durch eine Briefbombe verletzt.

– 13. 6.1995: In der norddeutschen Stadt Lübeck wird der SPD-Geschäftsführer im Rathaus, Thomas Rother, beim Öffnen der Post verletzt.

– 16.10.1995: Der aus Syrien stammende Gemeindearzt von Stronsdorf in Niederösterreich wird in seiner Ordination durch eine Briefbombe verletzt. Am Postamt von Poysdorf wird Flüchtlingshelferin Maria Loley (71) verletzt, als sie ein an sie adressiertes Schreiben öffnet. In Mistelbach entgeht ein aus Südkorea stammendes Arztehepaar knapp einem Briefbomben-Anschlag.

– 11.12.1995: Sechs Tage vor der Nationalratswahl detonieren in einem Postkasten in Graz zwei von vier Briefbomben. Adressaten der Sendungen: Das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, eine in Wien lebende indische Familie, eine Partnervermittlungsagentur mit Postfach in Güns (Ungarn) sowie Angela Resetarits, die Mutter des Kabarettisten Lukas, des Sängers Willi (“Ostbahn Kurti”) und des ORF-Redakteurs Peter Resetarits.

– 9.12.1996: Bei der Entschärfung explodiert eine Briefbombe, die an die Stiefmutter von Innenminister Caspar Einem, die Schriftstellerin Lotte Ingrisch, adressiert ist.

– 1.10. 1997: Franz Fuchs (48) wird in seinem Heimatort Gralla südlich von Graz am Steuer seines Autos von der Gendarmerie kontrolliert, nachdem sich zwei Frauen verfolgt gefühlt hatten. Er wähnt sich überführt und zündet eine Bombe, die ihm beide Hände zerfetzt.

– 2. 2.1999: In Graz beginnt der sechswöchige Strafprozess gegen Fuchs, in dem der Angeklagte jede Aussage vermeidet. Stattdessen schreit er Parolen wie: “Es lebe die BBA!” oder “Reinrassige Tschuschenregierung – nein danke!” und wird von der Verhandlung ausgeschlossen. Psychiater Reinhard Haller bescheinigt ihm eine Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, paranoiden, anankastischen, fanatischen und narzisstischen Zügen.

-10. 3.1999: Fuchs wird in sämtlichen Anklagepunkten – unter anderem wegen vierfachen Mordes – schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.

-26. 2.2000: Fuchs erhängt sich in seiner Zelle in der Justizanstalt Karlau in Graz mit dem Kabel seines Rasierers.

(APA)

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