Gebildetere Eltern, bessere Lesenote bei Kindern
Nicht nur die Entscheidung, ob ein Kind nach der vierten Klasse Volksschule in eine AHS geht, hängt vom Bildungsniveau der Eltern ab. Schüler, deren Eltern Matura oder einen akademischen Abschluss haben, bekommen auch bessere Noten als Kinder, deren Eltern nur einen Pflichtschul- oder Lehrabschluss haben – und das trotz gleicher Leseleistung. Das hat die Detailauswertung der Volksschul-Lesestudie PIRLS 2006 (Progress für International Reading Literacy Study) gezeigt, die am Montagabend von den Experten des Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE) in Wien präsentiert wurde.
In der Studie wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der Bildung der Eltern und der Leseleistung der Neunjährigen nachgewiesen. Allerdings bekommen Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss haben, auch bei gleicher PIRLS-Leistung schlechtere Deutschnoten und entscheiden sich seltener für eine AHS-Laufbahn.
Individuelle Förderung ist zwar zentrales Ziel des Volksschul-Lehrplans; allerdings erkennt ein Teil der Lehrer nicht, welche Schüler selbst mit einfachsten Aufgaben Schwierigkeiten haben (bei PIRLS “Risikoschüler” genannt). In der Studie wurde die Einschätzung der Lehrer, wie viele Kinder Leseprobleme haben, mit der Zahl der Risikoschüler verglichen. Bei einem Viertel der Pädagogen weicht die Zahl um zehn Prozentpunkte oder mehr ab, in jeder fünften Klasse unterschätzen die Lehrer den Risikoschüler-Anteil “deutlich”. Werner Schöggl von der Pädagogischen Hochschule Wien sieht den Grund in der mangelnden Verwendung diagnostischer Tests (landesweit einheitliche Erhebungen). “Ich sehe hier ganz großen Handlungsbedarf in Österreich.” Es gehe ihm dabei nicht um Aussortieren von Schülern, sondern um Fördermaßnahmen. Für letztere ist allerdings in Österreich laut Studie zu wenig Personal da, die Schüler seien im Vergleich zu führenden PIRLS-Ländern aus der EU “deutlich” benachteiligt.
Wichtige Grundlagen für die Lesefertigkeiten werden von den Eltern schon lange vor Schuleintritt gelegt – durch Vorlesen von Büchern, Geschichten erzählen, etc. “Die Sprachförderung in der Familie ist ganz wichtig und wirkt auch noch bei zehnjährigen Kindern nach. In vielen Familien ist sie aber scheinbar nicht mehr verbreitet”, sagte Christina Wallner-Paschon vom BIFIE. Die Folgen: Kinder, deren Sprache nicht früh genug trainiert wird, haben weniger Motivation zu lesen und beherrschen es auch nicht so gut. Wallner-Paschon forderte gezielte Elternaufklärung vor Schuleintritt. Auch soziale Ungleichheiten können, wie die Studie gezeigt hat, durch angeleitete, regelmäßige Bibliotheksbesuche deutlich abgeschwächt werden. Wie die Studie zeigt, haben Kinder aus sozioökonomisch schwächeren Familien oft – wie ihre Eltern – weniger Motivation zu lesen, werden weniger gefördert und haben weniger Bücher zur Verfügung.
Im PIRLS-Expertenbericht wurden auch die Lesegewohnheiten der Neunjährigen abgefragt. Insgesamt geben 36 Prozent an, täglich oder fast täglich Sachbücher zu lesen; immerhin ein Fünftel liest mit derselben Regelmäßigkeit literarische Texte, Gebrauchsanweisungen und Kataloge. Die Detailanalyse hat allerdings deutliche Unterschiede bei zwischen guten und schlechten Lesern gezeigt: Neunjährige, die bei PIRLS gut abschneiden, bevorzugen Romane und Geschichten, schlechte Leser hingegen Informationstexte (Sachbücher, Flugzettel etc.). Schlussfolgerung der Studienautoren: “Informationstexte eignen sich vor allem bei leistungsschwachen Kindern dafür, positive Einstellungen zum Lesen aufzubauen.”