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GB: Nuklearschmuggel möglich

In der Affäre um den vergifteten russischen Ex-Spion Alexander Litwinenko gehen die Behörden nun Hinweisen über einen möglichen Nuklearschmuggel in den Iran nach.

Ein deutscher Sicherheitsbeamter sagte der „Berliner Zeitung“ (Mittwochsausgabe), man nehme diese Möglichkeit „ernst“. Polonium 210 wird zum Atombombenbau benötigt. Es wird insbesondere darüber gerätselt, wieso der Agent mit der sündteuren Substanz hätte vergiftet werden sollen. Sein Tod sei vielleicht ein Unfall oder ein Versuch gewesen, den Nuklearschmuggel zu vertuschen, berichten russische Medien.

Es werde nicht ausgeschlossen, dass in Russland produziertes Polonium über Deutschland nach London geschmuggelt wurde, um dort einen Verkauf anzubahnen, sagte ein Polizeibeamter der „Berliner Zeitung“. Wirklich belastbare Indizien gebe es dafür bisher nicht. Auch sei noch kein Fall bekannt geworden, bei dem Polonium 210 auf dem Schwarzmarkt angeboten worden sei – das Material sei zu teuer. Einer Berechnung der britischen Tageszeitung „Guardian“ zufolge hatte Litwinenko Polonium im Wert von 30 Millionen US-Dollar (22,7 Mio. Euro) im Körper. Ein Vertreter der russischen Atombehörde dementierte nach Angaben des britischen Senders BBC, dass Polonium aus dem Land geschmuggelt worden sei. Russland produziere monatlich acht Gramm der Substanz, die zur Gänze in die USA exportiert werde.

Das Material wird gemeinsam mit Beryllium für die Zündung von Atombomben benötigt. Einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ versuchte der Iran bereits in den späten 1990er Jahren, Polonium 210 herzustellen. Die russische Internet-Zeitung „russland.ru“ vermutet, dass Litwinenko selbst am Nuklearschmuggel beteiligt gewesen sei, um seine Geldprobleme zu lösen. Polonium 210 lässt sich relativ unbemerkt in Plastikfläschchen transportieren. Nach der Spitalseinlieferung sollen in Litwinenkos Dickdarm drei unbekannte Objekte „fester Struktur“ entdeckt worden sein, die zum Transport des Materials gedient haben könnten. Wie Drogenkuriere könnte er das Material geschluckt haben, weil der Deal aufflog oder es einen Unfall mit dem Transportbehälter gegeben habe, so die Theorie.

Seinen Kontaktleuten Andrej Lugowoi und Dimitrij Kowtun zufolge wurde Litwinenko bereits Mitte Oktober vergiftet. Am 16. Oktober hätten er und Litwinenko gemeinsam eine Sicherheitsfirma in London besucht, sagte Lugowoi der Zeitung „Moskowsky Komsomolez“ (Mittwochsausgabe). Dort wurden später Spuren von Polonium gefunden. Auch Kowtun geht davon aus, dass er während eines London-Aufenthaltes Mitte Oktober vergiftet worden sei. Nur so sei nämlich zu erklären, dass er Ende Oktober bei seinem Aufenthalt in Hamburg an mehreren Stellen Polonium-Spuren hinterlassen habe, sagte er „Spiegel TV“.

Die britische Polizei geht jedoch weiter von einer Vergiftung Litwinenkos am 1. November in einem Londoner Hotel aus. Bisher seien keinerlei Strahlenspuren an einem Busfahrschein gefunden worden, den Litwinenko löste, um zu dem Treffen mit Kowtun zu fahren, berichtete die BBC. Wäre der Ex-Spion zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Strahlengift in Berührung gekommen, hätte auch das Busticket kontaminiert sein müssen.

Kowtun sagte dem russischen Fernsehkanal ORT, er befinde sich nach der Polonium-Vergiftung gesundheitlich auf dem Weg der Besserung. „Die Ärzte sagen, dass die Lage sich stabilisiert hat.“ In sieben bis zehn Tagen werde er das Krankenhaus verlassen können. Er und Lugowoi wurden am Mittwoch von britischen Beamten in Moskau einvernommen.

Die Ermittlungen nach den Polonium-Funden in und um Hamburg standen am Mittwoch kurz vor dem Abschluss. Ein evakuiertes Haus in Hamburg-Ottensen sollte wieder für die 30 Bewohner freigegeben werden. Im Krankenhaus St. Georg in Hamburg warteten die Ex-Frau Kowtuns, ihre beiden kleinen Kinder und ihr Lebensgefährte unterdessen weiter auf Ergebnisse spezieller Tests. Kowtun hatte in der Wohnung der Ex-Frau übernachtet. An ihrer Kleidung waren Polonium-Spuren gemessen worden.

Litwinenko machte vor seinem Tod am 23. November den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den russischen Inlandsgeheimdienst FSB für die Vergiftung verantwortlich. Dies wurde von Moskau energisch zurückgewiesen. Die regierungstreue Moskauer Zeitung „Iswestija“ erhob am Mittwoch Vorwürfe gegen den britischen Geheimdienst MI5. Übergelaufene oder ehemalige Agenten im Ausland wie Litwinenko würden üblicherweise überwacht und abgeschöpft. Deshalb wisse die Regierung in London, was sich tatsächlich abgespielt habe.

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