Wie die am Donnerstag in London bekannt gewordene Studie des Institute for Public Policy Research (IPPR) zeigt, liegen die 15-jährigen Briten weit über dem europäischen Schnitt bei Alkoholkonsum, Gewalt und Sex.
So sind 27 Prozent der jugendlichen Burschen und Mädchen in Großbritannien regelmäßig betrunken, während es in Deutschland zwölf, in Italien fünf und in Frankreich drei Prozent sind. Fast die Hälfte der jungen Briten – 44 Prozent – sind immer wieder in Raufereien verstrickt. In Italien und Frankreich sind es 38 Prozent, die Deutschen sind mit 28 Prozent deutlich braver.
Wenn sie sich nicht gerade die Köpfe einschlagen, haben bereits stolze 38 Prozent der jungen Briten Sex, berichtet IPPR. Im prüden Deutschland sind es 28 Prozent, im katholischen Italien 24 Prozent und im frivolen Frankreich nur 22 Prozent. Die Folge ist, dass Großbritannien bei der Zahl der jugendlichen Schwangerschaften und außerehelichen Geburten weit vor allen anderen Ländern Europas liegt.
Einen der Gründe für das Verhalten der britischen Jugend sieht Studienautor Nick Pearce im Zerfall der Familien. Es gibt eindeutig einen Mangel an Verbindung zwischen Eltern und Kindern, sagte er der BBC. Während die häufigste Freizeitaktivität der britischen Jugendlichen am Abend mit Freunden herumzuhängen ist, essen 93 Prozent der jungen Italiener brav bei Mama ihre Spaghetti. Der Druck des britischen Arbeitslebens fordert seinen Preis.
Verwüstete Innenstädte nach Saufgelagen und verkommene Vororte, in denen sich destruktive Jugendliche herumtreiben, gehören zum britischen Alltag. Die Zahl der Schulschwänzer steigt trotz teurer Kampagnen und strenger Strafen. Dem asozialen Benehmen Herr zu werden ohne die jugendlichen Delinquenten in die Kriminalität abzudrängen, war die Idee hinter den Verwarnungen für asoziales Verhalten (Asbos), die von der Regierung vor sieben Jahren eingeführt wurden. Sie können von lokalen Behörden verhängt werden, um etwa unerträglichen Jugendlichen den Besuch von Einkaufszentren oder Vergnügungsparks zu untersagen.
Das Ziel, die jugendlichen Unruhestifter auf diesem Weg zur Eingliederung in die Gesellschaft zu bewegen, scheint freilich verfehlt zu werden. Fast die Hälfte der betroffenen Jugendlichen sieht eine derartige Verwarnung nämlich als Auszeichnung an, wie eine Untersuchung des Youth Justice Board ergeben hat. Eine große Zahl der Verwarnten meint, dass ihnen ein Asbo einen ganz besonderen Status verleiht. Entsprechend gering ist die Abschreckungswirkung: Von den bisher ausgesprochenen 7.300 Verwarnung wurden 49 Prozent gebrochen.
Dennoch ist ein Ausweg schwer zu finden. Wenn wir alle mit der vollen Härte des Gesetzes strafen würden, gingen unsere Gefängnisse über, heißt es in dem Bericht. Die britischen Strafanstalten sind ohnehin bis zum letzten Platz gefüllt, erst vor wenigen Tagen musste Innenminister John Reid die beschleunigte Entlassung ausländischer Krimineller veranlassen, um Haftplätze frei zu bekommen.
All das kann geschehen, obwohl Großbritannien die meistüberwachte Gesellschaft Europas ist. Mehr als vier Millionen Videokameras überwachen Menschen an öffentlichen Orten, aber auch am Arbeitsplatz, in Geschäften, Ämtern und im öffentlichen Verkehr. Damit kommt eine Kamera auf 14 Personen. Und wer irgendeine Behörde oder ein Unternehmen anruft, wird in der meist beträchtlichen Wartezeit darauf hingewiesen, dass der Anruf aufgezeichnet wird.