In England, Schottland und Wales haben die Bürger am Donnerstag ihre Stimmen in Regional- und Kommunalwahlen abgegeben, die als Bilanz über die zehnjährige Regierungszeit von Premierminister Tony Blair gelten. Allgemein wird mit schweren Verlusten für Labour gerechnet. In Schottland dürfte Umfragen zufolge die Scottish National Party (SNP) Blairs Partei als stärkste Kraft im Parlament ablösen. Der britische Regierungschef will nach Informationen der Inlandsnachrichtenagentur PA am kommenden Donnerstag seinen bereits vor Monaten angekündigten Rücktritt bekannt geben.
Die SNP hat für den Fall ihres Wahlsiegs ein Unabhängigkeitsreferendum in Aussicht gestellt. Genau 300 Jahre nach der Vereinigung Schottlands mit England und Wales wäre das ein deutlicher Schlag für die Union. Blair forderte die Wähler vor der Abstimmung auf, nicht nur für die SNP stimmen, um ihm eine Abfuhr zu erteilen. Labour hat in den vergangenen 50 Jahren alle Wahlen in Schottland gewonnen.
Am Donnerstag fanden auch Wahlen zur Nationalversammlung von Wales und Kommunalwahlen in England statt. Erste Ergebnisse für Schottland wurden noch in der Nacht auf Freitag erwartet, für Wales und England erst gegen Mittag.
Beobachter führen den Überdruss der Briten nach zehn Jahren Labour-Regierung unter Blair und die Ablehnung des britischen Irak-Engagements als Hauptgründe für die erwarteten Verluste an. Vermutlich auch um die Wahlniederlagen abzumildern, kündigte Blair seine Rücktrittserklärung für die kommende Woche an, die nun laut PA am Donnnerstag erfolgen soll.
Blair wolle danach am Freitag in seinem Wahlkreis Sedgefield weitere Einzelheiten über seine politische Zukunft mitteilen, meldete PA unter Berufung auf Gewährsleute. Berichte, wonach Blair mit seinem Rücktritt als Premierminister auch sein Abgeordnetenmandat niederlegen wolle, wies sein Büro zurück. Blair werde sich lediglich zu seinem Rücktritt als Vorsitzender der Labour-Party äußern, erklärte Downing Street. Sein Nachfolger als Labour-Chef – wahrscheinlich Schatzmeister Gordon Brown – wird Blair dann als Regierungschef nachfolgen.
Unterdessen wurde Blair bei einer seiner Erfolgsgeschichten, dem Friedensprozess in Nordirland, am Donnerstag ein weiteres Erfolgserlebnis zuteil: Eine der brutalsten Terrorgruppen in Nordirland will der Gewalt abschwören. Die Führung der protestantischen Untergrundorganisationen Ulster Volunteer Force (UVF) gab am Donnerstag bekannt, dass sie von Mitternacht an nicht mehr als terroristische Organisation existieren werde. Die Waffen würden zwar nicht aufgegeben, doch außer Reichweite gehalten werden. Die UVF brachte nach Schätzungen rund 500 Menschen um. Vor 13 Jahren hatte sie schon einmal eine Waffenruhe verkündet. Die katholische Terrororganisation IRA hatte im Sommer 2005 ihren bewaffneten Kampf für beendet erklärt.