AA

Gaza: Mit aller Gewalt gegen Abzug

Der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Beth befürchtet, einen Anschlag rechtsextremer Juden, die damit den geplanten Abzug aus dem Gaza-Streifen verhindern wollen.

Das Flugzeug könnte heranschießen, gerade wenn Tausende Moslems sich versammeln. Voll gepackt mit Sprengstoff würde die Maschine ein Blutbad anrichten und die islamischen Heiligtümer auf dem Jerusalemer Tempelberg, Felsendom und Al-Aksa-Moschee, zerstören. Der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Beth befürchtet, wie die Zeitung „Haaretz“ am Sonntag enthüllte, einen solchen Anschlag rechtsextremer Juden, die damit den geplanten Abzug aus dem Gaza-Streifen verhindern wollen. Der Geheimdienst verfügt nach eigener Aussage über konkrete Informationen zu Anschlagsplänen – und dürfte sie auch sehr ernst nehmen. Schließlich haben die radikalsten unter den jüdischen Hardlinern schon mehrmals blutig bewiesen, wie weit sie notfalls zu gehen entschlossen sind.

Der Minister für innere Sicherheit, Tzahi Hanegbi, schlug Alarm. Das Risiko, dass „extremistische oder fanatische Juden“ ein Attentat gegen den Tempelberg oder gegen moslemische Gläubige an einer der heiligsten Stätten des Islam ausführten, sei „noch nie so hoch“ gewesen, sagte der Politiker im Fernsehen. Es handle sich dabei durchaus nicht um Hirngespinste, sondern um „konkrete Ideen“. Schon vor einigen Tagen hatte der Geheimdienst mitgeteilt, rund 150 jüdische Siedler würden Ministerpräsident Ariel Sharon wegen dessen Gaza-Politik nach dem Leben trachten.

Ob Attentat auf Sharon oder auf den Tempelberg, beide Szenarien rufen in Israel die Erinnerung an ähnliche blutige Taten jüdischer Rechtsextremisten hervor. So war es der ultrarechte Student Yigal Amir, der den damaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin am 4. November 1995 in Tel Aviv ermordete. Der Premier und Friedensnobelpreisträger musste sterben, weil er im Friedensprozess von Oslo eine Verständigung mit den Palästinensern anstrebte. Sein Mörder zeigte niemals Reue für die Tat.

Im Februar 1994 hatte der extremistische jüdische Siedler Baruch Goldstein am Grab der Patriarchen in Hebron 29 Moslems beim Gebet erschossen. Das Grabmal der Patriarchen, wo der biblische Stammvater Abraham und seine Söhne Jakob und Isaak ruhen sollen, wird ähnlich wie der Tempelberg von Juden und Moslems verehrt.

Nicht einmal Pläne für ein Attentat auf dem Tempelberg wären neu in Israels Geschichte: Schon zu Beginn der achtziger Jahre hatte Shin Beth ein Netz jüdischer Extremisten aufgedeckt, die ein großes Attentat auf den Tempelberg planten. Auch dieser Anschlag sollte sich gegen eine in ihren Augen zu nachgiebige Politik gegenüber der arabischen Welt richten. 1979 war der Separatfrieden von Camp David mit Ägypten geschlossen worden, der einen Abbau jüdischer Siedlungen auf der Sinai-Halbinsel vorsah. Die Gedanken von damals sind nicht vergessen bei den extremistischen Juden. Es sei „absolut legitim“, ein Attentat auf Moscheen zu verüben, sagt etwa Jehuda Ezion, einer der Köpfe des Netzes, der frühzeitig aus der Haft entlassen wurde. Allerdings sei die Zeit dazu derzeit nicht reif. Zuerst müssten die Juden überzeugt werden, dass ein solcher Schritt notwendig sei. „Ich bete jeden Tag, dass der Tempelberg von den Moslems gereinigt wird.“

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Gaza: Mit aller Gewalt gegen Abzug
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.