Die Armee hatte am Mittwoch mit der Operation Herbstwolken begonnen, um den Raketenbeschuss israelischer Grenzorte durch palästinensische Extremisten zu unterbinden. Seither sind bei dem Einsatz nach Krankenhausangaben 48 Palästinenser getötet und 220 weitere zum Teil schwer verletzt worden. Der Leiter der UNO-Flüchtlingshilfe in Gaza, John Ging, bezeichnete die Lage als verzweifelt. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat den Weltsicherheitsrat zum sofortigen Eingreifen aufgerufen. Die finnische EU-Ratspräsidentschaft zeigte sich hochgradig beunruhigt über das Ausmaß der Gewalt und warf Israel Unverhältnismäßigkeit bei seinem Vorgehen vor.
Am fünften Tag der Operation feuerten israelische Truppen nach palästinensischen Angaben eine Rakete auf eine Gruppe militanter Palästinenser nahe der Ortschaft Beit Hanoun. Dabei sei ein 23-jähriges Mitglied der zur Fatah gehörenden Al-Aksa-Brigaden getötet und ein weiterer Palästinenser verletzt worden, berichteten Augenzeugen. Nach palästinensischen Medienberichten wurde ein palästinensischer Zivilist von einem israelischen Scharfschützen erschossen. Der 21-Jährige sei zuvor am Erez-Kontrollpunkt zwischen Israel und dem Gaza-Streifen von Militärs befragt und dann auf freien Fuß gesetzt worden. Eine Armeesprecherin teilte mit, man prüfe den Bericht, bisher sei der Vorfall nicht bekannt.
Der israelische Vize-Verteidigungsminister Ephraim Sneh sagte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Die Armee wird sich nicht zurückziehen, bis wir die Ziele erreicht haben, die wir uns gesetzt haben. Ziel sei es, die Infrastruktur der radikalen palästinensischen Regierungspartei Hamas zu schädigen und die Abschusslinie der Raketen gegen das israelische Gebiet in das Landesinnere des Gaza-Streifens zurückzudrängen. Seit Beginn der Offensive habe die Hamas bereits schwere Verluste erlitten. Der Vorsitzende der oppositionellen linksliberalen Meretz-Partei, Ex-Justizminister Yossi Beilin, forderte dagegen das sofortige Ende der Offensive. Die Aktion stärke lediglich den palästinensischen Hamas-Regierungschef Ismail Haniyeh.
Der neu ernannte Vizepremier Avigdor Lieberman, dessen ultrarechte russische Einwandererpartei Unser Haus Israel jegliche Zugeständnisse an die Palästinenser ablehnt, hatte erklärt: Israel sollte im Gaza-Streifen wie Russland in Tschetschenien agieren. Moskau habe sich nicht damit begnügt, die extremistische Führung in der Nordkaukasus-Republik zu beseitigen, sondern für eine Alternative gesorgt und selbst die totale Kontrolle übernommen, sagte Lieberman. Mit der Forderung nach einer Trennung von Juden und Arabern rief der Politiker unterdessen Empörung hervor. Dem Londoner Sunday Telegraph sagte er, Israel müsse sich dabei am Vorbild Zyperns und der dortigen Trennung von Griechen und Türken orientieren. Seitdem alle Griechen in einem Teil der Insel lebten und die Türken im anderen, gebe es dort Stabilität und Sicherheit, sagte Lieberman. Der Nordteil der Mittelmeerinsel ist seit 1974 von der Türkei besetzt. Mitglieder der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (Haavoda) forderten in ersten Reaktionen Ministerpräsident Ehud Olmert zu einer ernsthaften Klärung auf. Der arabische Knesset-Abgeordnete Ahmed Tibi warf Lieberman vor, er habe zur ethnischen Säuberung aufgerufen.
Zehntausende Israelis haben am Samstag des am 4. November 1995 bei einer Friedenskundgebung in Tel Aviv von einem rechtsextremen Fanatiker ermordeten sozialdemokratischen Regierungschefs und Friedensnobelpreisträgers Yitzhak Rabin gedacht, der 1993 in Washington den Grundlagenvertrag mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation von Yasser Arafat unterschrieben hatte.