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Gaza: Hamas fordert Mitsprache

Hamas und „Islamischer Heiliger Krieg“ sind bereit, für ihre Einbeziehung in eine erweiterte palästinensische Führung unter Arafat Änderungen an ihren Programmen vorzunehmen.

Wie am Dienstag in Gaza zu erfahren war, soll die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) den beiden radikalen Gruppen ein dreiseitiges Programm für die Bildung einer neuen vereinigten Führung übergeben haben. Der Schritt hängt offenkundig mit dem angekündigten israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen zusammen.

Die nach der „gezielten Tötung“ ihres Gründers Scheich Ahmed Yassin durch Israel in den Untergrund gegangene Hamas-Führung verlangt jetzt eine ihrem politischen Gewicht entsprechende Rolle in den offiziellen Institutionen der Palästinenser, die von der Fatah-Bewegung Arafats dominiert werden. „Wir wollen eine politische Partnerschaft auf neuer Basis, die dem Gewicht der verschiedenen Bewegungen Rechnung trägt“, erklärte am Dienstag der Hamas-Führer Scheich Said Siam. Es gehe Hamas nicht um ein „Quotensystem“ in den Leitungsgremien, sondern um echten politischen Einfluss, sagte Siam, der sich auf die jüngsten Aussagen Arafats gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Focus“ bezog.  Arafat hatte unter anderem den Wunsch nach einer Einbindung der Hamas in die Strukturen der Palästinensischen Nationalbehörde ausgedrückt. „Wir haben unsere eigenen Vorstellungen, und Präsident Arafat kennt unseren Willen zu einer politischen Partnerschaft und zu einer Mitwirkung an der politischen Beschlussfassung“, unterstrich Siam.

Arafats Fatah ist angesichts des Erstarkens der außerhalb der PLO stehenden radikalen Organisationen zunehmend in die Defensive geraten. Die ultraradikale Splittergruppe „Al-Aksa-Märtyrerbrigaden“, die mit der Hamas kooperiert und eine Reihe von Selbstmordanschlägen in Israel verübt hat, ist aus fanatischen Fatah-Elementen zusammengesetzt, die sich jeder Kontrolle durch die Fatah-Führung entziehen.

Die USA haben unterdessen den israelischen Regierungschef Ariel Sharon vor jedem Versuch gewarnt, seine Tötungsdrohungen gegen Arafat zu realisieren. Israel müsse von allen gegen Arafat gerichteten Initiativen Abstand nehmen, die eine Lösung des Nahost-Konflikts zusätzlich erschweren würden, erklärte der Sprecher des Präsidialamts, Scott McClellan, in Charlotte (North Carolina) am Rande eines Besuchs von Präsident George W. Bush in dem südöstlichen US-Staat. „Premierminister Sharon kennt unsere Meinung dazu ganz genau“, unterstrich der Pressesprecher des Weißen Hauses. Die USA hätten „sehr deutlich“ zum Ausdruck gebracht, dass die Zwangsexilierung Arafats „oder etwas anderes“ nicht Teil einer Lösung des Konflikts sein könnten. Sharon hatte am Vortag erklärt, dass das den USA vor drei Jahren gegebene israelische Versprechen, dem palästinensischen Präsidenten keinen „physischen Schaden“ zuzufügen, nicht mehr gelte.

Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, hat Israel eindringlich vor den dramatischen Folgen einer „Liquidierung“ des palästinensischen Präsidenten gewarnt. Ein solcher Akt der Gewalt werde Israel noch unsicherer machen, zitierte der israelische Rundfunk am Dienstag den Patriarchen anlässlich eines Gesprächs mit Journalisten zum bevorstehenden Osterfest. Die jüngsten Äußerungen Sharons bezeichnete der Kirchenführer als „inakzeptabel“. An die Adresse Israels gerichtet sagte er, der Friede hänge wesentlich vom Handeln der „stärkeren Partei“ ab.

Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) hat zu internationaler Unterstützung für den Gaza-Streifen und das Westjordanland aufgerufen. Fünf Tage nach einem Stopp der Hilfslieferungen wegen israelischer Blockaden kritisierte UNRWA-Generalkommissär Peter Hansen am Dienstag in Gaza-Stadt die Belagerungen und von Israel verhängten Ausgangssperren, die die Lebensbedingungen für die Palästinenser weiter verschlechtert hätten. Nach UNRWA-Angaben sind inzwischen etwa 50.000 Palästinenser obdachlos, weil israelische Truppen ihre Häuser zerstört haben.

Die israelischen Streitkräfte haben am Dienstag nach eigenen Angaben einen zum Waffenschmuggel genutzten Tunnel zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen gesprengt. Es sei der siebente derartige Tunnel, der seit Jahresbeginn zerstört wurde, teilte die Armee mit. Im Westjordanland verlor ein 16-jähriger Palästinenser einen Arm, als ein Sprengsatz, den er auf israelische Soldaten warf, vorzeitig explodierte. Wie Augenzeugen berichteten, ereignete sich der Vorfall beim Einmarsch israelischer Truppen in das Flüchtlingslager Balata bei Nablus.

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