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Gauck benennt Massaker an Armeniern klar als "Völkermord"

Gauck sprach klare Worte
Gauck sprach klare Worte
Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck hat die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" bezeichnet und auf eine deutsche Beteiligung hingewiesen. "In diesem Fall müssen auch wir Deutsche insgesamt uns noch der Aufarbeitung stellen, wenn es nämlich um eine Mitverantwortung, unter Umständen sogar Mitschuld, am Völkermord an den Armeniern geht", sagte Gauck in Berlin.


Gauck ging damit deutlich über die zuvor in der Koalition für ihren Antrag am Freitag im Bundestag verabredete Formulierung hinaus, die er aber auch in seiner Ansprache im Berliner Dom aufgriff: “Das Schicksal der Armenier steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist.”

Weiter sprach Gauck in seiner Rede von einer “genozidalen Dynamik, der das armenische Volk zum Opfer fiel”, und von “geplanten und systematischen Mordaktionen”. Er stellte sich damit gegen die Haltung der Türkei, die den Begriff “Völkermord” als Beschreibung für das Geschehen vor hundert Jahren ablehnt und auch eine systematische Planung zurückweist.

Die Nachfahren der Opfer könnten heute zu recht eine “Anerkennung historischer Tatsachen und damit auch einer historischen Schuld” erwarten, mahnte Gauck. Täter seien damals die Machthaber im Osmanischen Reich und ihre Handlanger gewesen, aus rassischen und aus religiösen Motiven. Heute jedoch freue er sich “über jedes ermutigende Zeichen der Verständigung und des Aufeinanderzugehens zwischen Türken und Armeniern”, hob der Präsident hervor.

Gauck ging auch auf die Rolle des im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündeten Deutschen Reichs ein. Dieses habe nicht nur von dem Vernichtungswillen gegen die Armenier gewusst, sondern deutsche Militärs seien “an der Planung und zum Teil auch an der Durchführung der Deportationen beteiligt gewesen”.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sprach in dem Gottesdienst laut Redetext ebenfalls eindeutig von “Völkermord” an Armeniern, Aramäern und Pontos-Griechen. Auch Bedford-Strohm kritisierte zudem das damalige “moralische Versagen” Deutschlands und zog eine Verbindung zum späteren Holocaust an den Juden.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, äußerte sich bei der Einstufung der Vertreibung und Vernichtung der Armenier etwas zurückhaltender, sprach aber auch vom “Genozid der Jahre 1915 bis 1918”. Die Nachkommen der Täter müssten “der historischen Schuld der eigenen Nation ins Auge blicken”, den Nachkommen der Opfer riet er zur “Bereitschaft zur Aussöhnung”. Marx erwähnte in seiner Predigt auch heutige Verfolgungen von Christen durch die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS).

Nach armenischer Darstellung starben ab dem 24. April 1915 bei der Verfolgung und Vertreibung der Armenier auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Betroffen waren zudem Aramäer und Griechen. Die Türkei spricht von wesentlich geringeren Opferzahlen.

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