Gauck bedauert Untätigkeit im Fall "Colonia Dignidad"

Er hätte sich gewünscht, dass die deutsche Außenpolitik früher schon deutliche Worte zu den kriminellen Vorgängen in der Siedlung gefunden hätte, sagte Gauck. Deutsche Diplomaten müssten aus diesen Versäumnissen lernen, sich immer “an die Seite der Opfer” zu stellen.
“Wenn zum Beispiel deutsche Diplomaten jahrelang wegschauten, wenn in der deutschen Sekte ‘Colonia Dignidad’ Menschen entrechtet, brutal unterdrückt und gefoltert wurden, und dann gar der chilenische Geheimdienst dort foltern und morden konnte, so ist unser Erschrecken groß”, hatte Gauck vor der Pressekonferenz in einer Rede laut im Voraus verbreitetem Redemanuskript gesagt.
Die Kolonie war 1961 von Paul Schäfer gegründet worden, einem nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohenen früheren Wehrmachtsgefreiten. In Deutschland wurde Schäfer schon damals wegen Kindesmissbrauch gesucht.
Hinter der idyllischen Kulisse der “Colonia” missbrauchte Schäfer über drei Jahrzehnte Kinder und trennte sie von ihren Eltern; er unterwarf seine Anhänger einem brutalen System der Unterdrückung – mit harten Strafen, Psychoterror und Indoktrination. Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) diente die Deutschensiedlung auch als Folterlager. Politische Gefangene wurden auf das weiträumige Gelände der Kolonie verschleppt und dort zu Tode gefoltert.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte vor wenigen Wochen unter dem Eindruck des aktuellen Kinofilms “Colonia Dignidad” das Verhalten der deutschen Diplomaten als zu zaghaft bezeichnet und die Akten seines Ministeriums dazu vorzeitig freigegeben. Dabei geht es auch um Vorwürfe, dass Menschen, die aus der Colonia entkamen, von der deutschen Botschaft in Chile kein Schutz gewährt wurde.
Gauck fand in Chile lobende Worte für das Vorgehen Steinmeiers: “Unser Außenminister tut jetzt, was richtig und notwendig ist: Die deutschen Akten zu diesem Fall frühzeitig zugänglich machen und so die offene Aufarbeitung fördern.” Steinmeier gilt als Anwärter auf die Nachfolge Gaucks, der bei der Bundespräsidentenwahl im Februar 2017 auf eine Kandidatur für eine weitere Amtszeit verzichtet.