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Ganztägige Schulformen: Chancengleichheit nicht erfüllt

Vor allem Kinder im städtischen Bereich nutzen die ganztägigen Schulformen.
Vor allem Kinder im städtischen Bereich nutzen die ganztägigen Schulformen. ©DPA (Themenbild)
Am Mittwoch wurde der nationale Bildungsbericht 2018 präsentiert. Dieser besagt, dass die ganztätigen Schulformen vor allem im städtischen Bereich und von Kindern von beruflich bessergestellten Eltern genutzt werden.

Ganztägige Schulformen werden vor allem im städtischen Bereich genutzt – und dort vor allem von Kindern mit höher gebildeten und beruflich bessergestellten Eltern. Das ist eines der Ergebnisse des am Mittwoch vorgestellten Nationalen Bildungsberichts 2018 des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie).

Insgesamt besuchten im Schuljahr 2017/18 rund 22 Prozent der Schüler eine schulische Nachmittagsbetreuung (ohne Horte). Nach Bundesländern betrachtet am niedrigsten ist das Ausmaß in Tirol (elf Prozent), Nieder- und Oberösterreich (je 16 Prozent) sowie Salzburg und Kärnten (je 17 Prozent). Am höchsten ist die Beteiligung in Wien (37 Prozent) und im Burgenland (32 Prozent).

Chancengleichheit durch ganztätige Schulformen nicht erfüllt

Generell lässt sich am Beispiel der Volksschulen (4.Klasse) sagen: Je dichter besiedelt die Gemeinde, desto höher liegt auch der Anteil der Kinder in Nachmittagsbetreuung. Gleichzeitig wird in diesen städtischen Gebieten aber deutlich, dass eine mit ganztägigen Schulformen verbundene Hoffnung auf eine Art Chancenausgleich in der Gesellschaft nicht erfüllt wird. In Anspruch genommen wird das Angebot nämlich vor allem von Kindern aus bessergestellten Familien: Je höher der Bildungsabschluss bzw. der sozioökonomische Status der Eltern, desto stärker die Beteiligung der Kinder an der Nachmittagsbetreuung. Kinder mit anderer Alltagssprache als Deutsch bzw. mit Migrationshintergrund wiederum sind nachmittags seltener an der Schule als Altersgenossen mit deutscher Alltagssprache und ohne Migrationshintergrund.

Im ländlichen Bereich (in dem die Nachmittagsbetreuung aber grundsätzlich wesentlich seltener genutzt wird) funktioniert die soziale Durchmischung dagegen besser. Dort liegt etwa der Anteil der Akademikerkinder in Nachmittagsbetreuung in etwa gleich hoch wie jener der Kinder von Eltern mit höchstens Pflichtschulabschluss.

Der Bildungsforscher und Mitherausgeber Ferdinand Eder wies vor Journalisten darauf hin, dass die Ganztagsschule das Ziel, Frauen früher in die Berufstätigkeit zurückzubringen, sehr wohl erreicht habe. Die Erwartung als “pädagogisches Wunderwerk” für Sozialausgleich könne sie allerdings derzeit nicht erfüllen. Wenn man einen pädagogischen Effekt wolle, müsse man ein Modell etablieren, das an allen Schultagen besucht wird.

Neue Novelle 2020 soll Ganztagsschulausbau neu regeln

Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, verwies auf die Geschichte der Ganztagsschule in Österreich: Man sei von einem System ausgegangen, in dem früher vor allem an den katholischen Privatschulen ganztägige Betreuung angeboten wurde “und kommen jetzt mehr in die Breite”. Mit der geplanten Novelle des Bildungsinvestitionsgesetzes, das den Ganztagsschulausbau ab 2020 neu regelt, soll der soziale Ausgleich besser als derzeit gelingen.

So soll die Vergabe von Mitteln an die Länder an die Einhaltung neuer Qualitätskriterien etwa auch an den Horten gebunden sein. Regelungen, die dem Ausgleich sozialer Unterschiede zuwiderlaufen, soll es künftig nicht mehr geben dürfen. So werden derzeit in Wien Kinder mit zwei berufstätigen Elternteilen bei der Platzvergabe bevorzugt. Damit würden aber genau jene Familien ausgeschlossen, in denen der kompensatorische Effekt am notwendigsten wäre, so Netzer. Beim Essensbeitrag, der laut Eder ebenfalls Familien mit geringem Einkommen abhält, wird der Bund hingegen nicht eingreifen. Das sei Angelegenheit der Länder.

(APA/Red)

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