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"Gainsbourg", der Film: Fantasievolle Hommage an ein grantiges Genie

Ok, Serge Gainsbourg mag in der Realität um einiges grantiger, unnahbarer, hässlicher und in seiner versoffenen Spätphase auch widerlicher gewesen sein als in diesem Film - doch "Gainsbourg - Der Mann, der die Frauen liebte" von Joann Sfar erhebt ohnedies nie Anspruch, eine einfache und wahrheitsgetreue Abbildung des skandalträchtigen Lebens des bekannten Chansonniers zu sein...
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Dafür ist er einer der originellsten, bezauberndsten und charmantesten Filme seit langem. Mühelos überschreitet er Genregrenzen, ohne dabei peinlich zu wirken, punktet mit tollen Schauspielern und gut eingesetzter Musik.

Joann Sfar (39) hat sich als Zeichner von Comics, Graphic Novels und Zeichentrickfilmen (“Die Katze des Rabbiners”) einen Namen gemacht. Auch in seinem ersten Spielfilm verleugnet er diese Herkunft nie. Nicht nur, dass er den jungen, frühreifen Lucien Gainsbourg (entzückend gespielt von Kacey Mottet Klein, den man sich als “Der kleine Nick” gewünscht hätte) mit offenherzigen, anzüglichen, doch nie obszönen Nacktzeichnungen Erfolge bei den Frauen ebenso wie bei den Kameraden feiern lässt, er stellt dem jungen Juden, der sich im besetzten Frankreich unbedingt als erster den Judenstern abholen möchte, auch eine der antisemitischen Propaganda entsprungene aufgeblasene Juden-Puppe zur Seite. Sie ist fortan auch ein Freund in einsamen Stunden, in denen er in kühlen, feuchten Wäldern der Judenverfolgung entkommt.

Später hat der erwachsene Künstler, der seinen Vornamen in Serge ändert, von der Malerei zur Musik wechselt und seine weiterhin starke Wirkung auf Frauen nun in vollen Zügen genießt, eine weitere animierte Comicfigur an seiner Seite: Gainsbarre aka “La gueule” (“Die Fresse”), eine irritierende Gestalt mit Riesen-Nase, abstehenden Ohren und Spinnenfingern (gespielt von Doug Jones). Das personifizierte Unterbewusstsein, mit dem der eigentlich hässliche und schüchterne Gainsbourg, den der großartige Eric Elmosnino als verlorenen, innerlich zerrissenen Traumtänzer anlegt, immer wieder Zwiesprache hält.

Er sieht nicht attraktiv aus, singt nicht sonderlich gut, doch er hat Charme und Persönlichkeit – und bald, ohne recht zu wissen, warum, auch Erfolg. Vom kleinen Barpianisten wird er zum exzentrischen Star, dessen Chansons ankommen, dem sich die berühmtesten und schönsten Frauen anbieten. Anna Mouglalis ist eine geheimnisvolle Juliette Greco, Laetitia Casta eine hoch erotische Brigitte Bardot, deren Bekanntschaft auch Gainsbourgs liebenswert schrulligen Vater aus dem Häuschen bringt, Lucy Gordon eine zerbrechliche Jane Birkin, mit der er mit “Je t’aime moi non plus” den Skandal-Hit seines Lebens aufnimmt, und Sara Forestier eine naiv-puppenhafte France Gall.

Gainsbourg (Vie héroique)” heißt der wesentlich treffendere Original-Titel des Films, obwohl Gainsbourgs Kampf gegen zunehmende Verwahrlosung und Alkoholismus in Realität wohl etwas weniger heroisch ausfiel. Doch auch der Sturz, den Joann Sfar in seiner Version der Original-Biografie zeigt, hat genügend Fallhöhe. Dass das Ende des Genies, dem alles zuzufliegen schien, wenig ersprießlich war, verheimlicht der Film nicht. In seiner Originalität, seinem Charme und seiner Unverwechselbarkeit wird “Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte” seinem Vorbild aber mehr als gerecht. Dringende Empfehlung!

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