Der Premier will sich noch diese Woche einer Vertrauensabstimmung unterziehen. Voraussichtlich am Donnerstag will er eine Rede vor dem Parlament halten und die dramatischen Folgen eines Regierungssturzes für das Land in dieser schwierigen Phase schildern.Rom. Mitten in einer dramatischen Schuldenkrise droht jetzt Italien ein politisches Vakuum. In seiner Rede will Berlusconi die Parlamentarier aufrufen, Italien eine Regierungskrise zu ersparen, die das Land in tiefe Unsicherheit stürzen und die bis 2013 geplante Budgetsanierung verzögern würde. Laut Berlusconi gibt es keine politische Alternative zu seiner Regierung, doch mehrere Parlamentarier seiner Koalition sind nicht mehr dieser Meinung. “Berlusconi behauptet, dass die Niederlage im Parlament nur ein Fehltritt war. In Wahrheit löst sich die gesamte Koalition auf. Die Parlamentarier sind orientierungslos angesichts einer Wirtschaftskrise, der niemand zu begegnen weiß”, analysierte der Parlamentarier der Berlusconi-Partei “PdL – Popolo della liberta” (Volk der Freiheit), Paolo Russo.
Berlusconi kämpft um Einheit
Der von Justizverfahren und Sexskandalen gebeutelte Berlusconi kämpft verzweifelt, um seine PdL-Partei zusammen zu halten. Der Regierungschef traf am Dienstag Ex-Industrieminister Claudio Scajola. Dieser führt eine Gruppe von rund 30 PdL-Parlamentariern, die offen Kritik an Berlusconis Führung üben und angeblich auf einen Rücktritt des Premiers drängen. Bei dem Treffen versicherte Scajola, er bleibe dem Premier gegenüber weiterhin loyal, niemand würde Komplotte gegen ihn schmieden. “Wir haben ein ehrliches Gespräch unter Freunden geführt”, sagte Scajola. Doch angesichts der eskalierenden Krise ist nicht auszuschließen, dass mehrere PdL-Parlamentarier dem Premier den Todesstoß versetzen könnten. Wenige Stimmen könnten genügen, um den Premier zu stürzen.
Unklar ist noch, wie sich die mit Berlusconi verbündete rechtspopulistische Partei Lega Nord verhalten wird. Parteichef Bossi wird wegen der loyalen Haltung gegenüber dem skandalerschütterten Berlusconi in seinen eigenen Reihen laut kritisiert. Immer mehr “Leghisti” fordern offen Berlusconis Rücktritt und verlangen, dass die Lega mit ihrem Regierungsaustritt den wankenden Medienzaren stürzt. Doch Bossi beteuerte zuletzt immer wieder, dass seine Partei Berlusconi treubleiben werde.
Berlusconi ist unter enormem Druck
Der politische Todeskampf in Rom fesselt die italienische Öffentlichkeit. Seit Wochen rätseln politische Beobachter und einfache Bürger darüber, wie lange der geschwächte und in seinen eigenen Reihen unter Druck geratene Regierungschef noch im Sattel bleiben könne. Der Druck der Finanzmärkte auf Italien lässt trotz der Verabschiedung eines milliardenschweren Sparpakets nicht nach. Der Zinsunterschied zwischen italienischen und deutschen Anleihen hat ein schwindelerregendes Rekordhoch erreicht. Die Opposition drängt Berlusconi täglich, im Interesse Italiens zurückzutreten und um gegenüber dem Ausland ein Zeichen des Neubeginns zu geben.
Doch obwohl ihm das Wasser bis zum Hals steht, denkt der Premier nicht an seinen Rücktritt und kämpft hartnäckig weiter. Bei jeder Gelegenheit verkündet er, er müsse bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 im Amt bleiben, um das Land durch die Schuldenkrise zu steuern. Berlusconi will unbedingt im Amt bleiben, weil er die Justiz sehr fürchtet. Der Regierungschef steht vor einer langen Serie von Justizverfahren, unter anderem wegen Sex mit der minderjährigen Marokkanerin Ruby. Jetzt droht ihm sogar ein weiterer Prozess wegen der Veröffentlichung von abgehörten Telefongesprächen eines Linkspolitikers, eine Angelegenheit, die ins Jahr 2005 zurückreicht. Ein Grund genug, um nicht vom Regierungssessel aufzustehen.