Die mit 2,1 Mio. Euro budgetierte Ausstellung (davon 0,6 Mio. für Infrastruktur, Betrieb und Logistik), die das Technische Museum Wien (TMW) gemeinsam mit “Österreich am Ball” in der Rekordzeit von 16 Monaten entwickelt und realisiert hat, ist das Herzstück des kulturellen Begleitprogramms der Fußball-Europameisterschaft.
“Konservativ geschätzt” rechne man mit 100.000 Besuchern, erläuterte TMW-Direktorin Gabriele Zuna-Kratky heute Vormittag bei einer Pressekonferenz, “Wir wollen damit sowohl Ausstellungsbesucher erreichen, die sich sonst nicht so für Fußball interessierten, als auch die Fans, die sonst eher nicht in Ausstellungen gehen.” Und das wird wohl gelingen.
Projektleiter Walter Szevera und Kuratorin Susanne Wernsing sind nämlich nicht nur “quer durch Europa gereist, um verschwitzte Leiberln zusammenzusuchen” (Zuna-Kratky), obwohl sich Szevera besonders stolz darauf zeigte, dass am Nachmittag auch der Ball des legendären Wembley-WM-Finales 1966, als sich England zum Weltmeister kürte, mit Spezialkurier aus dem britischen National Soccer Museum eingeflogen werde. So schön die aus zahlreichen Ländern zusammengetragenen rund 450 Objekte und Memorabilien auch sind – sie machen nur einen kleinen Aspekt dieser Super-Schau aus.
Zu Beginn wird man auf drei großen Leinwänden mit den Anfängen des Fußballsports konfrontiert: Ein Schwarz-Weiß-Video zeigt die alte und noch immer gepflegte Tradition des mittelenglischen Ashbourne, wo sich alljährlich am Aschermittwoch Mannschaften aus Ober- und Unterstadt zum vielstündigen Gerangel um den Ball treffen. Davon, dass das Regelwerk zu dieser Zeit noch nicht sehr ausgeprägt war, kann man sich sehr anschaulich überzeugen. Danach entscheidet man sich, ob man zunächst den Weg des Fans oder des Spielers einschlagen möchte. Obgleich letzterer natürlich deutlich spannender ist, sollte man unbedingt beide “Karrieren” absolvieren. Denn sowohl die Karaoke-Kabine für Schlachtgesänge als auch die technisch-taktischen Trainings-Tools der Profis sollte man sich nicht entgehen lassen.
Wer die Schlachtpläne der Trainer bei den Spielerbesprechungen lesen gelernt hat – die akribischen Anweisungen eines Ernst Happel hängen dabei direkt neben dem Gekritzel eines Otto Baric, das nicht nur Szevera an die Kunst des abstrakten Expressionisten Jackson Pollock erinnerte. Letzteres wurde gleich auch in Großformat für Boden und Wand des Hauptraums im Untergeschoß verwendet, wo man auf Großleinwänden mit Freud und Leid des Fußballsports konfrontiert wird. Kunst ist überhaupt durchgängig in die Ausstellung eingebaut, unter den 21 Positionen aus zehn Nationen findet sich sehr viel Foto- und Videokunst, darunter drei Beiträge aus Österreich. Nicht nur Spieler und Spielzüge, Fans und Fußballplätze, sondern auch “The Angry Coach” (der seine Emotionen im leeren Stadion auslebt) oder die Schiedsrichter werden hier zum Thema. Im Obergeschoß werden auch Medialisierung (u.a. sind Edi Finger und Heribert Meisel hier zu hören) und Politisierung (auch Rassismus und Stadion-Katastrophen kommen vor) behandelt.
Zu den absoluten Highlights der Ausstellung zählt eine interaktive Installation, bei der nicht nur der globale Transfermarkt allgemein nachvollzogen werden kann (Szevera: “Die alten kolonialen Verhältnisse werden nach wie vor genutzt”), sondern auch die Klubwechsel von Stars wie Beckham, Rooney oder Ronaldo, bei denen sich die Transfersummen in unterschiedlicher Pfeildicke niederschlagen. Szevera: “Sie verdienen zwar zuvor alle mehr, als wir uns vorstellen können, aber ab 30 werden bei allen die Pfeile immer dünner”. Auch das richtige Fallen und Abrollen kann, inklusive “Schwalbe” trainiert werden, und schließlich kann man auch, stellt man sich nur geschickt genug an, zum Fußballhelden werden und die größte Ausgleichschance bei der legendären 0:1-Niederlage Österreichs auf den Färöer-Inseln nicht – wie damals in der traurigen Realität – versemmeln, sondern verwerten.
“Man spürt, dass Fußball etwas ganz besonderes ist”, resümierte Sport-Staatssekretär Reinhold Lopatka (V) und ÖFB-Ehrenpräsident Beppo Mauhart freute sich darüber, dass “die Fußballwelt nicht nur in ihrer Emotion und Leidenschaft, sondern auch in all’ ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung” dargestellt werde. Beide Herren hoffen dringend, dass auch mit der Fußball-Schau die bei der EURO 2008 gewünschte Nachhaltigkeit erreicht werden und daraus ein dauerhaftes Museum entstehen kann. Mauhart: “Es wäre eine kultur- und sportpolitische Großtat, wenn davon etwas weiterbestehen würde.”
“herz:rasen – die Fußballausstellung”
Künstlerhaus wien, 4. April bis 6. Juli
Mo-Fr 9-18 Uhr, Mi 9-21 Uhr, Sa, So, Feiertag 10-18 Uhr
Info: 01 / 899 98 – 9999
http://www.tmw.at