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Frau bei illegalem Rennen getötet: Es könnte Mord sein

Der tödliche Autounfall in Wien am Sonntag, bei dem eine Frau bei einem illegalen Rennen getötet wurde, sorgte für Diskussionen.
Der tödliche Autounfall in Wien am Sonntag, bei dem eine Frau bei einem illegalen Rennen getötet wurde, sorgte für Diskussionen. ©APA/dpa/Marijan Murat (Sujet)
Eine Diskussion über die strafrechtliche Ahndung solcher Taten hat ein tödlicher Unfall bei einem illegalen Autorennen in Wien am Sonntagabend ausgelöst.
Frau bei Roadrunner-Rennen am Schottenring Wien getötet

Dabei sah der ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer am Montagabend in der ORF-"ZiB" durchaus gute Chancen für eine Anklage des Vorsatzdeliktes Mord. Der Innsbrucker Strafrechtler Klaus Schwaighofer sah den Nachweis, dass ein Täter sich mit dem Tod eines anderen abfindet, am Dienstag im ORF-"Mittagsjournal" bei Rasern schwierig.

Frau bei illegalem Rennen getötet: Mord nicht ausgeschlossen

Ingeborg Zerbes, Strafrechtlerin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie in Wien, hielt im Gespräch mit der APA am Dienstag eine Mordanklage für nicht ausgeschlossen. Der Paragraf 75 des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB) "Mord" klingt lapidar: "Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen." Allerdings ist dafür ein Tötungsvorsatz notwendig. Vorsatzdelikte werden im Paragraf 5 StGB geregelt: "Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet."

In einem ähnlichen Fall 2018 lautete das Urteil "Mord"

Zerbes hat die heimische Rechtsprechung anhand eines Falles untersucht, der vor vier Jahren mit einem Mordurteil und einer Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Wien geendet hat. Der Mann wollte am 3. Jänner 2018 seinem eigenen Leben ein Ende setzen und raste mit seinem Mercedes in selbstmörderischer Absicht durch Penzing. Dabei hatte er 2,3 Promille Alkohol im Blut. Der Tachometer zeigte 102 km/h an, als er in einer ausgewiesenen 30er-Zone in der Cumberlandstraße frontal mit einer Vespa kollidierte, die vorschriftsmäßig abbiegen wollte. Der Lenker des Leichtmotorrads - ein 37 Jahre alter Rechtsanwalt - und sein Beifahrer - ein Kanzleimitarbeiter des Juristen - starben. Wie ein verkehrstechnisches Gutachten ergab, hatte der Pkw im Kollisionszeitpunkt noch eine Geschwindigkeit von 97 km/h, obwohl der Autofahrer ein Bremsmanöver eingeleitet hatte, um den Zusammenstoß zu vermeiden.

Mehrere Faktoren spielen bei Raserfällen eine Rolle

Dabei stellte die Strafrechtlerin fest, dass in Raserfällen mehrere Faktoren für die Bewertung eine Rolle spielen. Dabei geht es natürlich zunächst um die Geschwindigkeit, aber auch um den Tatort und die Tatzeit: Es ist ein Unterschied, ob man am Tag auf einer stark befahrenen Strecke rast oder in der Nacht auf einer Landstraße. Zerbes machte auch darauf aufmerksam, dass der Grad der objektiven Eigengefährdung eine Rolle spielt. Wenn sich der Täter selbst einer hohen Gefahr schwerer Verletzungen oder sogar des Todes aussetzt, "ist eher anzunehmen, dass er diese Gefahr und somit überhaupt die Gefahr einer Kollision ausgeblendet hat", schrieb Zerbes bei der Untersuchung des Falles von 2018. Ein besonders sicheres Fahrzeug - der Raser am Sonntag war beispielsweise in einem Mercedes unterwegs - sprechen hingegen nicht gegen einen Vorsatz.

Strafgesetzbuch: Unterscheidung zwischen Mord und fahrlässiger Tötung

Im österreichischen Strafgesetzbuch gibt es zwischen Mord und der fahrlässigen Tötung - wegen einer solchen wird derzeit nach dem Unfall am Ring vom Sonntag ermittelt - keinen anwendbaren Tatbestand. Der Paragraf 76 "Totschlag" setzt die Tatbegehung "in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" voraus. "Ich bin dafür, den Paragrafen 76 nicht aufzuweichen", sagte Zerbes. In Deutschland wurde für solche Fälle ein "Auffangparagraf" eingezogen, wenn der Vorsatz nicht nachweisbar ist. Das wäre der Expertin zufolge auch für Österreich ein denkbarer Weg. Zerbes warnte aber vor einem "Trend, bei jedem Missstand einen Spezialstraftatbestand einzurichten". Umso schwieriger wäre das Strafgesetzbuch anzuwenden. Dieses Problem habe nämlich bereits das deutsche Strafgesetzbuch, "das österreichische gerade noch nicht". Schweighofer plädierte dafür, die Lücke zwischen Mord und fahrlässiger Tötung zu schließen.

Zerbes befürwortet Maßnahmen wie Einziehung des Täterautos

Zerbes sprach sich auch für präventive Maßnahmen wie die Einziehung des Täterautos auf. Kenner der Roadrunner-Szene sind der Meinung, dass ein solcher Schritt potenzielle Autoraser mehr als alles andere treffen würde. "Das Auto ist in deren Händen geradezu eine Waffe", so die Strafrechtlerin. Daher wäre die Einziehung als "Gegenstand, den der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat" (Paragraf 26 StGB), bereits nach geltender Rechtslage möglich.

Österreichische Justiz hatte bereits mehrfach mit Autorasern zu tun

Die heimische Justiz hatte bereits mehrfach mit Autorasern zu tun. Neben dem Fall in Wien-Penzing stach die Amokfahrt in Graz hervor. Dieser Amoklenker wurde wegen Mordes verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, am 20. Juni 2015 drei Menschen getötet und 108-fachen Mordversuch begangen zu haben. Der damals 27-Jährige wurde zu lebenslanger Haft und zusätzlich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Obwohl ihm zwei Gutachter eine schwere Geisteskrankheit bescheinigten, entschieden die Geschworenen, dass der Mann zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen sei.

Der 27-Jährige raste mit seinem SUV mit bis zu 80 km/h durch die Grazer Innenstadt. Dabei tötete er einen 28-jährigen Mann, einen vierjährigen Buben und eine 53-jährige Frau, rund 50 Personen wurden teilweise schwer verletzt, zahlreiche weitere durch das Schockerlebnis geprägt.

(APA/Red)

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