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Franzosen streiken wieder

In Frankreich hat eine neue Welle landesweiter Streiks gegen die Arbeitsmarktreformen begonnen. Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, im Energiesektor sowie Lehrer legten die Arbeit nieder. Weitere Reformen

Die Veranstalter hofften, wie vor einer Woche bei landesweiten Demonstrationen bis zu drei Millionen Menschen zu mobilisieren. Ein Massenaufgebot von Polizisten, darunter 4000 in Paris, sollte neue Ausschreitungen verhindern. Im Vergleich zur Vorwoche fielen die Störungen durch die Streiks deutlich geringer aus. Studentengruppen haben angekündigt, alle wichtigen Verkehrsverbindungen zu blockieren.

In der südfranzösischen Hafenstadt Marseille folgten am Vormittag etwas mehr Menschen als am 28. März dem Protestaufruf von Studentengruppen und Gewerkschaften. Nach Angaben der Veranstalter demonstrierten dort etwas mehr als 250.000 Menschen. Schätzungen der Polizei lagen zunächst nicht vor. Die Proteste richten sich gegen die vorgesehene Lockerung des Kündigungsschutzes in Erstanstellungsverträgen (CPE). Die Demonstrationen der vergangenen Woche waren die größten in der nunmehr 48-jährigen Geschichte der Fünften Republik.

„Es ist nervig, dass die Bahn wegen Angelegenheiten bestreikt wird, die sie nicht wirklich betreffen“, sagte ein Pendler im Vorort Pontoise im Norden von Paris, der wegen eines ausgefallenen Zuges verspätet die Hauptstadt erreichte. Dabei gab es nur wenige Störungen: In Paris verließen am Morgen in etwa zwei von drei Schnellzügen die Bahnhöfe planmäßig. Manche Vorortzüge wurden gestrichen. Im Pariser Metro-Betrieb kam es kaum zu Unterbrechungen. In Deutschland zeigten sich einer Sprecherin der Deutschen Bahn zufolge keinerlei Auswirkungen der französischen Streiks.

An den französischen Flughäfen gab es nach offiziellen Angaben teilweise bis zu 90 Minuten Verspätung. Rund ein Drittel der Flüge wurde gestrichen. Für den größten deutschen Flughafen in Frankfurt bedeutete dies nach Angaben einer Sprecherin von Fraport den Ausfall zweier Air-France-Flüge.

Im Energiesektor zeigten die Streiks ähnliche Auswirkungen wie vor einer Woche. Mit Total meldete der größte Ölkonzern des Landes einen etwas verringerten Ausstoß bei drei seiner sechs Raffinerien. Die Stromproduktion in Frankreich ging um drei Prozent zurück. Zu Unterbrechungen kam es hier nicht. Nach Angaben der Gewerkschaft CGT wurden Anlagen von Electricite de France (EdF) und von SNET – einer Tochter der spanischen Endesa – bestreikt. An den Schulen beteiligten sich nach Angaben des Bildungsministeriums weniger Beschäftigte als vergangene Woche an dem Ausstand.

Am Nachmittag hofften die Veranstalter auf einen ähnlich großen Zulauf von Demonstranten wie vor einer Woche. Die Hauptkundgebung war in Paris geplant. Dort sollten 300 Überwachungskameras der Polizei bei der Verhinderung erneuter Ausschreitungen helfen. Anreisende Demonstranten berichteten von Durchsuchungen der Polizei an den Bahnhöfen.

„Wir stehen vielleicht kurz vor einem großen Sieg“, sagte Olivier Besancenot, Chef einer linksgerichteten Partei, im Fernsehsender France 2.„Aber der CPE ist noch nicht tot.“ Kritiker laufen seit zwei Monaten Sturm gegen die Initiative von Ministerpräsident Dominique de Villepin. Dessen Zustimmungswerte sind nach einer neuesten Umfrage auf den tiefsten Stand seit seinem Amtsantritt vor rund einem Jahr gesunken. Präsident Jacques Chirac hat das Gesetz grundsätzlich gebilligt, zugleich aber eine Lockerung der Maßnahmen gefordert – zum Beispiel die Laufzeit des CPE auf ein Jahr zu halbieren.

Der Fraktionschef der Regierungspartei UMP, Bernard Accoyer, signalisierte Bereitschaft zu Gesprächen mit den Gewerkschaften. „Es wird keine Einschränkungen für die Gespräche geben“, sagte er. Die Gewerkschaften wollen allerdings erst Gespräche führen, wenn sich die Konservativen zu einem Verzicht auf den CPE durchringen. Befürworter sehen im CPE eine Möglichkeit, die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

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