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Frankreich: Hollande gibt sich staatsmännisch, Sarkozy oppositionell

Das Wahlvok wird über das Wohl und Wehe "Sarkos" entscheiden.
Das Wahlvok wird über das Wohl und Wehe "Sarkos" entscheiden. ©AP
"Gemeinsam wird alles möglich - Ensemble tout devient possible." Mit diesem Slogan startete 2007 der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy in den Präsidentschaftswahlkampf.

Heute sucht man vonseiten des Staatsoberhaupts Sarkozy solche Aufrufe zur nationalen Einigkeit vergeblich. Der Spitzenkandidat der konservativen UMP kokettiert lieber mit Themen der extremen Rechten, etwa mit Aussagen, dass Frankreich zu viele Einwanderer habe. Sein sozialistischer Herausforderer Francois Hollande gibt sich einige Tag vor der Stichwahl am 6. Mai hingegen bewusst unaufgeregt und staatsmännisch.

Sarkozy versucht’s mit Populismus

In Wahlkampfzeiten ist es meist Ziel amtierender Präsidenten, sich als Vertreter aller im Staat vertretenen Interessen und Gruppen zu präsentieren. Einmal gewählt, stehen sie nicht länger nur für Partikularinteressen, sie werden vom Kandidaten einer Partei zum obersten Repräsentanten einer gesamten Nation, in deren Namen sie zukünftig sprechen. So weit die Theorie. In der Praxis scheinen der Amtsinhaber und seine Wahlkampfstrategen auch diesmal auf Konfrontation zu setzen.

Denn heute, wie schon 2007, – als er lediglich Kandidat, nicht jedoch Präsident war – inszeniert sich Sarkozy als Oppositioneller, als Gegner des Systems. Er kritisierte ganz offen europäische Politik, etwa als er, entgegen Abmachungen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sich nicht in die Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) einzumischen, mehr Wachstumsinitiativen von ebendieser forderte. In die gleiche Kerbe schlug er mit seiner Drohung das Schengener Abkommen auszusetzen, sollten die EU-Außengrenzen nicht intensiver kontrolliert werden.

Sohn von Einwanderern befindet: Frankreich hat zu viele Ausländer

Innenpolitisch sorgte er mit dem Vorschlag für Aufsehen, die Arbeitslosenhilfe einer Volksabstimmung zu unterziehen oder zuletzt am 1. Mai mit der Aussage, in Frankreich gebe es zu viele Einwanderer. Damit setzt er ganz auf die Anliegen der Wählerschaft der rechtsextremen Front National (FN), deren Kandidatin Marine Le Pen im ersten Wahldurchgang mit 17,9 Prozent das beste Ergebnis der Parteigeschichte erzielen konnte.

Für den amtierenden Präsidenten ist es daher umso bitterer, dass ihm am 1. Mai Le Pen jegliche Unterstützung versagte und indirekt zum Wahlboykott aufrief: “Am Sonntag werde ich ungültig wählen, im Juni (bei den Parlamentswahlen Anm.) ‘bleu marine’ (Marineblau, Anspielung auf ihren eigenen Vornamen, Anm.).” Wenig überraschend will sich Le Pen also ideologisch nicht in die Nähe der Konservativen begeben, um sich so ihre strategisch vorteilhafte Position für die Parlamentswahlen zu erhalten.

Herausforderer Hollande liegt klar in Führung

Über fehlende Unterstützung kann sich der Sozialist Hollande hingegen nicht beklagen: Sowohl der Kandidat der Linksfront, Jean-Luc Melenchon (11,1 Prozent), als auch die Grüne Eva Joly (2,3 Prozent) haben noch am Abend des ersten Durchgangs eine Wahlempfehlung für ihn abgegeben. Schon rein rechnerisch hat er damit einen klaren Vorsprung vor Sarkozy, der ihm auch in Wahlumfragen bestätigt wird.

Hollandes europakritischer Kurs – er fordert etwa eine Neuverhandlung des europäischen Fiskalpaktes und ging im Wahlkampf immer wieder auf Konfrontation mit Merkel – wirkt ebenfalls glaubwürdiger als jener des Präsidenten. Umso mehr, als ihm Vertreter der europäischen Sozialdemokratie, darunter der deutsche SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, ihre Unterstützung zugesichert haben und zuletzt auch Italiens Premierminister Mario Monti eine Neuverhandlung des Fiskalpaktes unter Berücksichtigung der Wachstumsperspektive forderte.

Spannung vor dem Wahl-Showdown

Über seine Favoritenposition ist sich Hollande im Klaren und trägt diese auch selbstbewusst nach außen. Während Sarkozy am 1. Mai in einem blau-weiß-roten Fahnenmeer vor 200.000 Anhängern vor dem Pariser Eiffelturm Stärke demonstrieren wollte, zog sich der Sozialist in die zentralfranzösische Kleinstadt Nevers zurück und gedachte ganz staatsmännisch dem dort am 1. Mai 1993 verstorbenen sozialistischen Premierminister Pierre Beregovoy.

Alle Zeichen stehen also auf einen Sieg Hollandes am 6. Mai. Nur wenn sich der Text eines Liedes des französischen Sängers Renaud “la facho – qui vote Sarko” (“die Faschistin – die Sarkozy wählt) bewahrheiten und rund drei Viertel der Wähler Le Pens sich für Sarkozy entscheiden sollten, könnte sich das Blatt für den amtierenden Präsidenten noch wenden.

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