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Für Prüfungsleiter war Verlust von 20 Mrd.S dramatisch

Der zweite Zeuge am heutigen Verhandlungstag, Wirtschaftsprüfer Florian Botschen, war Prüfungsleiter für die BAWAG-Bilanz 2000, der der nun angeklagte Wirtschaftsprüfer Robert Reiter den Bestätigungsvermerk (Testat) erteilt hatte.

Botschen hatte die Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG im Herbst 2001 verlassen und wechselte zur Bank Winter, wo er jetzt als Vorstandsdirektor tätig ist.

Der Verlust durch die Sondergeschäfte mit Wolfgang Flöttl in Höhe von rund 20 Mrd. Schilling im Jahr 2000 sei ihm persönlich sehr nahegegangen, er habe den Verlust damals als „dramatisch“ empfunden. Daher habe er schließlich auch bald darauf den Beruf gewechselt, weil er gesehen habe, für ihn sei der Beruf des Wirtschaftsprüfers nicht das Richtige, erläuterte der Zeuge heute diplomatisch. Allerdings wolle er sich auch nicht als „Märtyrer“ darstellen.

Seine Aufgabe als Prüfungsleiter beschrieb Botschen als dem Abschlussprüfer Robert Reiter untergeordnet. Dieser sollte durch seine Arbeit einen Gesamtüberblick bekommen, um über die Erteilung des Testats zu entscheiden. Über die Sondergeschäfte mit Flöttl habe er schon 1998 einiges gewusst, etwa dass die Finanzierung über die – von der KPMG Irland geprüften – BAWAG-Tochter BIF in Dublin liefen. Reiter habe ihm gesagt, dass die Veranlagungen zwar Verluste aufwiesen, diese aber durch Sicherheiten ausreichend abgedeckt waren. „Er ist mir keine Rechenschaft schuldig“, erläuterte Botschen.

Auf die Frage der Richterin Claudia Bandion-Ortner, ob die damaligen Jahresabschlüsse der BAWAG nun mit heutigem Wissen richtig oder falsch gewesen seien, meinte Botschen, dass es nicht um die Frage der objektiven Richtigkeit der Bilanzen gehen könne. „Da wären viele Bilanzen falsch, wenn man Jahre danach etwa von einem Betrugsfall erfährt“, man könne daher immer nur vom damaligen Wissensstand ausgehen. Als die Richterin wissen wollte, ob ein Wirtschaftsprüfer auch die Bewertung der Sicherheiten prüfen müsse, meinte der Zeuge, „das sind genau diese Problemstellungen, wo ich mir als Prüfer dachte, ich erspar mir diese Fragen“. Mit dem BAWAG-Vorstand habe fast immer nur der Erstunterzeichner der Bilanz, Reiter, gesprochen.

Die Frage der Redepflicht der Wirtschaftsprüfer sei damals in gemeinsamen Besprechungen erörtert worden, gemeinsam seien die Wirtschaftsprüfer dann zum Ergebnis gelangt, die Redepflicht in diesem Fall nicht auszuüben. Bei der BAWAG sei keine Bestandsgefährdung vorgelegen und keine Verletzung wesentlicher gesetzlicher Bestimmungen, begründete Botschen diese Haltung. Dass der Aufsichtsrat der Bank von den Verlusten nicht informiert war, das habe er damals nicht gewusst.

Von den Stiftungen wusste Botschen nach eigenen Angaben nur wenig. Reiter habe ihn instruiert, dass die Kredite an die Stiftungen nicht zusammenzurechen seien. Dazu meinte Botschen, dass Stiftungen nur dann zusammenzurechnen seien, wenn das Geld dahinter in einen einzigen Topf zusammenfließe. Über die Hintergründe der Stiftungen habe er aber damals überhaupt nichts gewusst. In diesem Zusammenhang geht es um eine eventuelle Überschreitung der Großveranlagungsgrenzen.

Dass sowohl sein Vorgänger als Prüfungsleiter der BAWAG als auch sein Nachfolger letztlich zur BAWAG bzw. in die BAWAG-Gruppe wechselten, erstaunt Botschen nicht. Ein Wechsel von Prüfern zu geprüften Unternehmen komme in der Branche häufig vor. Auch er habe ein Angebot der BAWAG erhalten, das andere Angebot der Bank Winter sei aber attraktiver gewesen. Mit Kreditvergaben hat der frühere BAWAG-Prüfer nun nichts mehr zu tun, denn laut Botschen ist die Bank Winter überhaupt nicht im Kreditgeschäft tätig.

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