Der 65-Jährige hat im Verhör angegeben, von 1987 bis 2001 in Belgien und Frankreich sieben Mädchen und junge Frauen entführt, vergewaltigt und getötet zu haben. Es handelt sich um die schlimmste Verbrechensserie der vergangenen Jahrzehnte.
Um 10:34 Uhr öffnet sich die Hintertür des fünf Meter breiten Glaskastens. Im überfüllten Gerichtssaal A in der französischen Ardennenstadt Charleville-Mezieres wird es still. Zwei Polizisten in Schutzwesten führen Michel Fourniret in die rechte Ecke der Box – Jeans, blauer Wollpullover, struppiger grauer Bart, große Brille, den störrischen Blick auf den Boden gerichtet.
Der Richter fordert den schmächtigen Mann auf, sich zu identifizieren. Wie ein bockiger Schulbub schüttelt der 65-Jährige den Kopf. Dann holt er einen handbeschriebenen Zettel hervor, hält ihn an die Glaswand: “Ohne geschlossene Türen Mund zugenäht.”
Es ist die vorerst letzte Demütigung, die Michel Fourniret seinen Opfern und ihren Familien zufügt. Der Mann, den die Zeitungen als “Monster der Ardennen” oder schlicht “Teufel” bezeichnen, boykottiert seinen Prozess, der am Donnerstag begann. Im Verhör hat er gestanden, von 1987 bis 2001 sieben Mädchen und junge Frauen in Belgien und Frankreich entführt, vergewaltigt und getötet zu haben. Mit dem Geständnis sei das Kapitel für Fourniret erledigt, sagt einer seiner Anwälte. Am Urteil besteht schon jetzt kein Zweifel: lebenslange Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung.
Keine zehn Meter von Fourniret entfernt sitzen die Familien der Opfer. Es ist die geballte Verzweiflung. Einige streicheln sich, um sich zu trösten. Francis Brichet blickt ungläubig, mit hohlen Augen, auf den Mörder seiner Tochter Elisabeth. Fourniret entführte die Zwölfjährige 1989 im belgischen Saint-Servais. Sie solle ihm den Weg zum Krankenhaus zeigen, sagte er dem Mädchen, das keinen Verdacht schöpfte und einstieg. Er fährt mit dem Kind nach Hause. Am Tag, nachdem er Elisabeth vergewaltigt hat, erwürgt er sie und verscharrt die Leiche auf seinem Grundstück.
“Wir wollen in dem Prozess keine neuen Details hören”, sagt ihr Vater. “Es ist schon so kaum zu ertragen.” Die Familie fordert, dass auch über Elisabeth gesprochen wird, nicht nur über den Täter. Auf eine Entschuldigung von Fourniret hoffen die Angehörigen nicht. “Er weidet sich am Leiden der anderen”, sagt der Anwalt Jean-Maurice Arnould. “Er ist ein Mann ohne Gewissen.”
Fournirets einzige Aktion am Donnerstag: Er schiebt eine Rolle Papierblätter durch das Fenster des Glaskastens, zusammengehalten von einem roten Band. Es sei eine Erklärung an die Familien, sagt er, und fordert den Richter auf, sie vorzulesen. Dieser weigert sich, macht sich über Fourniret lustig. “Das haben sie schön gebastelt”, sagt er. Die Angehörigen sind von der Bemerkung irritiert.
Sie wollen im Prozess auch Klarheit, warum einer der gefährlichsten Psychopathen der letzten Jahrzehnte nicht früher gestoppt wurde. Schon mit Mitte 20 wird Fourniret wegen sexueller Übergriffe auf Mädchen schuldig gesprochen. 1984 gesteht er 15 Vergewaltigungen, drei Jahre später wird er wegen Missbrauchs von sieben Mädchen zu sieben Jahren Haft verurteilt, kommt aber im selben Jahr wieder auf freien Fuß und beginnt seine Mordserie. Dabei führt der Mann, der mit Vorliebe Dostojewski zitiert und außergewöhnlich intelligent ist, ein Doppelleben als Waldarbeiter, Maurer oder Kantinenangestellter.
Im von mehr als 350 Journalisten belagerten Charleville-Mezieres hat der Prozess das Entsetzen neu geweckt. “Man muss Fourniret den Kopf abschneiden”, sagt eine Pizzaverkäuferin.
Neben Fourniret in der Glasbox sitzt seine dritte Frau Monique Olivier. Seit der Verhaftung vor fünf Jahren sind ihre schwarzen Haare grau geworden. Die Hände zittern, mit erloschener Stimme nennt sie ihren Namen. Eine unsichtbare Mauer trennt sie von Fourniret, nicht ein Mal blicken sie sich an.
Vor mehr als 20 Jahren schmiedete das Paar seinen teuflischen Pakt. Wenn Fourniret ihren Mann töte, werde sie ihrem “Raubtier” bei der Jagd helfen, schreibt Olivier ihm in die Zelle. Nur sie hielt sich an die Abmachung. Wie am 3. August 1988: Im achten Monat schwanger, gibt Olivier vor, dringend einen Arzt zu suchen, und lockt die 20-jährige Fabienne Leroy in Fournirets Wagen. In einem Fall soll sie sogar bei der Ermordung eines Mädchens geholfen haben.
Im Prozess will sich Olivier offenbar selbst als Opfer Fournirets darstellen, der sie zu Hause wie eine unmündige Gehilfin terrorisiert haben soll. Ein Jahr nach der Verhaftung brach sie im Juni 2004 ihr Schweigen und zwang Fourniret selbst zum Geständnis. Olivier werde sich bei den Familien entschuldigen, kündigte einer ihrer Anwälte an. Ob die 59-Jährige dadurch der lebenslangen Haft entgeht, wird sich in etwa zwei Monaten zeigen, wenn der Prozess zu Ende geht.