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Forum Alpbach: "Vergessen wir die EU!"

"Vergessen wir die EU und überlegen wir uns eine Möglichkeit, Europa eine demokratischere Form zu geben. Das könnte zum Beispiel in der OES geschehen: In der Organisation Europäischer Staaten."

Mit diesen Worten ließ Vaclav Klaus beim Forum Alpbach aufhorchen, schließlich ist man dermaßen deutliche Kritik an der Europäischen Union aus dem Munde eines EU-Staatspräsidenten nicht gewöhnt. Der Supranationalismus, und dafür stehe die EU in ihrer heutigen Form, sei per se undemokratisch, meinte Klaus am Mittwoch vor über fünfhundert Kongressteilnehmern aus Politik, Wirtschaft und Medien.

Mit seiner „revolutionären Idee“, so Klaus, wolle er gedankliche Anstöße geben, um die strukturelle Demokratiefeindlichkeit supranationaler Strukturen zu erkennen, zu analysieren und danach handeln zu können. Dabei wollte er nicht als Skeptiker oder Pessimist verstanden werden. „Ich bin immer schon Optimist gewesen“, stellte der tschechische Staatspräsident fest. Dies gelte natürlich auch für seinen Glauben an die Demokratie; diese aber könne es ohne einen starken Staat nicht geben.

Dafür lieferte Klaus auch gleich eine These: Die heute allgemein feststellbare Schwächung des Staates sei durch eine Verschiebung der Macht und der Kompetenzen hin zu supranationalen Strukturen, eben die EU, bedingt. Der neue „Gemeinschaftismus“ (ein Wort, das Klaus patentieren lassen wolle, wie er launig anmerkte) führe zum Untergang der alten, demokratischen Ordnung.

Was demokratiepolitisch gelte, habe auch Auswirkungen auf die Wirtschaft. „Wir brauchen eine neue Form des ’fiscal federalism’, denn die EU-Steuerharmonisierung ist aus meiner Sicht eine der falschesten Ideen der letzten Jahrzehnte gewesen“, setzte Klaus nach und sorgte bei nicht wenigen Kongressteilnehmern für Verblüffung.

Mit seiner Idee einer „Organisation Europäischer Staaten – OES“ verfolge er die Absicht, Europa über seine nationalstaatlichen Grenzen hinaus demokratischer zu machen. „Das ist ein langer Prozess, der eine ausgefeilte Transformationsstrategie verlangt. Aber einer Sache bin ich mir sicher: Die meisten Institutionen der heutigen EU sind im Grunde nicht demokratisch und auch nicht demokratisierbar.“

Seine Thesen hat der tschechische Staatspräsident erst kürzlich in Gastkommentaren in mehreren internationalen Zeitungen präsentiert, so z.B. in der „Neuen Zürcher Zeitung“ und in der „Financial Times – Europe“. Dort sprach er von der EU als „den Vorstellungen einer selbsternannten Elite“. Wie auch in seinem Alpbacher Vortrag vertrat er dort die Ansicht, dass eine stabile Grundlage der EU sich aus der Kooperation souveräner Staaten – ohne Zentralismus – ergeben könne. Auf jeden Fall müsse die Idee der Schaffung eines „Europäischen Staates“ aufgegeben werden.

Wie Klaus in diesen Artikeln weiter ausführte, stelle er die Idee zur Diskussion, die Zukunft der europäischen Integration auf eine grundlegend andere Art und Weise zu entwerfen als dies bisher getan wurde. In einer Konstruktion wie der OES wären die einzelnen europäischen Staaten die Mitglieder – nicht die Bürger dieser Staaten direkt, wie es in der zumindest vorerst per Referendum gescheiterten EU-Verfassung vorgeschlagen wird. „Die Mitgliedschaft in der OES darf nicht durch ideologische Ziele motiviert sein, sondern nur durch einen gemeinsamen Glauben an die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, in einigen Bereichen zusammenzuarbeiten, dies in gemeinsamem Interesse und zum gegenseitigen Vorteil“, ist in der NZZ vom 30.8. zu lesen.

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