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Forscher nehmen "Wiener Grabtuch" unter die Lupe

Ein Wiener Forscherteam will nun das "Wiener Grabtuch" genauer unter die Lupe nehmen. Es ist jener Stoff, in dem der Habsburger Herzog Rudolf IV., auch genannt "Der Stifter", 1365 begraben wurde.

Das Tuch soll historische Geheimnisse bergen. Ab Ende März untersucht das Institut für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für Angewandte Kunst Wien laut einer Aussendung den Stoff, etwa um seine Herkunft zu klären.

In Anlehnung an das berühmte Turiner Grabtuch, das nach der Legende das Grabtuch von Jesus Christus sein soll, wird der kostbare Stoff des Dom- und Diözesanmuseums Wien von den Forschern auch als das “Wiener Grabtuch” bezeichnet. Es liefere im Vergleich mit dem Turiner Pendant “eine andere, ebenso spannende, aber historisch besser verankerte” Geschichte, die kaum bekannt sei. Der aufwendig mit Goldfäden gewebte Seidenstoff zeigt große arabische Inschriften auf einem dicht gemusterten Hintergrund und reicht in den historischen und kunsthistorischen Bezügen in den Vorderen Orient, nach Iran und China.

“Ziel des Projekts ist es, die kunsthistorische Einordnung des Stoffes durch neue Motivvergleiche und textiltechnische Analysen zu erweitern”, so der Islamkunsthistoriker Markus Ritter vom ÖAW-Institut für Iranistik, der das Projekt “Goldstoffe aus Iran in Wiener Museen: Das Grabtuch Herzog Rudolfs IV. und verwandte Stoffe islamischer Kunst der Mongolenzeit (13./14. Jhdt.)” leiten wird. Die textiltechnischen Analysen führt Regina Knaller an der Universität für Angewandte Kunst durch. Die Forscher wollen den Mustertyp und die Form der Inschriften untersuchen. Rekonstruktionen der stark verblichenen Farben und des Schnittes sollen eine neue Vorstellung vom Stoff vermitteln.

Das Weben von Seide mit Goldfäden gilt als eine frühe Erfindung Chinas. Derartige Goldstoffe waren im 13. und 14. Jahrhundert in ganz Asien ein Luxusprodukt und fanden als herrscherliche Ehrengewänder Verwendung, heißt es in der Mitteilung der ÖAW. Stücke, die nach Europa gelangten, beeinflussten die Entwicklung der Produktion von Goldstoffen in Italien. “Der Venezianer Marco Polo berichtet, am mongolischen Hof in China seien jährlich 15.000 Goldstoffe an hohe Staatsbedienstete und Offiziere vergeben worden”, so Ritter.

Weltweit sind aus dieser Zeit nur wenige Dutzend erhaltene, meist fragmentarische Stücke bekannt. Der Wiener Stoff ist durch die historischen Inschriften einzigartig. Sie lassen sich laut Ritter auf den muslimischen Mongolenherrscher Abu Said beziehen, der von 1316 bis 1335 mit Sitz in der Stadt Täbris im Iran regierte. Der Stoff sei zwischen 1319 und 1335 hergestellt worden. Ob er aber aus dem Westiran oder aus anderen Regionen der Mongolenherrschaft Irans stamme, sei noch ungeklärt.

Iran war damals Teil des Mongolenreiches, das von China bis nach Osteuropa reichte. Eine technische Besonderheit des Wiener Stoffes ist die Art der Goldfäden, für die vergoldete Silberstreifen verwendet wurden anstatt mit Blattgold belegte Streifen aus Tierhaut oder Papier, wie sie in Zentralasien und China üblich waren.

Rudolf IV. (1339-1365) war ein Herrscher Österreichs im Spätmittelalter. Um die Bedeutung Wiens zu heben, ließ er auch zahlreiche Reliquien sammeln. Wie genau der Stoff in den Besitz seines Hofes gelangte, ist laut den Forschern ungeklärt. Die mongolischen Herrscher im Iran unterhielten Beziehungen und Handelskontakte mit den Städten Italiens, wo Rudolf starb. “Der Stoff mag wegen der arabischen Schrift als Reliquie aus dem Heiligen Land gegolten haben, möglicherweise wusste man aber auch um die ursprüngliche herrscherliche Bedeutung”, so Ritter.

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