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Folge mir

Experimenteller Schwarz-Weiß-Film über Einsamkeit und Isolation. Ab 6. Mai im Kino.
Ein Schwarz-Weiß-Film, gedreht in einer kargen Umgebung, geprägt von kaltem, emotionslosem Zusammenleben der Protagonisten, von Autorität und Depression. Die Rede ist nicht von Michael Hanekes “Das weiße Band”, auch wenn Johannes Hammels Langfilmdebüt “Folge mir” optisch und thematisch stark an das international prämierte Meisterwerk erinnert. So visuell ansprechend der Streifen auch ist, so unklar und irritierend sind jedoch Inhalt und Aussage.
“Solange man träumt, gibt es immer einen Ausweg”, wird Schriftsteller Paul Auster zu Beginn des Films zitiert. Was in den folgenden 108 Minuten Traum ist, was Realität oder Halluzination, ist schwer zu sagen. Frau Blumenthal (Daniela Holtz) lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen, Pius und Roman, in einer dunklen Wohnung an einem Hafen. Weit und breit keine Menschenseele, stattdessen die Ölraffinerie, Frachtkähne, Plattenbauten. Ähnlich grau und lieblos sieht es in Frau Blumenthal aus: Ihre Söhne nehmen sie nicht ernst, sie lebt isoliert von der Außenwelt, traut sich nicht unter Menschen; das aufgesetzte, gequälte Lächeln weicht den Heulkrämpfen am frisch gemachten Bett. Ihr Mann wankt zwischen Verständnis für seine Frau und dem eigenen nahenden Fall in den Wahnsinn.

Erst im Laufe des Films offenbaren sich die drei Zeit- und Wahrnehmungsebenen, mit denen Hammel spielt. Dominierend ist dabei die Vergangenheit, die auf nur Eines ausgerichtet ist: den unausweichlichen Nervenzusammenbruch. Ähnlich wie in ihrer Wohnung entstehen auch in Frau Blumenthals Psyche langsam Risse, ausgelöst durch einen traumatischen Vorfall, den wir erst gegen Ende des Films zu sehen bekommen. Neben der Vergangenheit, die die schrittweise Depression und Isolation der Protagonistin ankündigen, und der Zukunft, in der sie als ältere Dame endgültig alleine endet, konfrontiert uns Hammel mit verwaschenen Bildern aus den 60ern. Sie zeigen glückliche Familien bei Ausflügen im Wald, am See oder im Schwimmbad, stellen dar, was in den Augen Frau Blumenthals “hätte sein können”.

“Folge mir” orientiert sich nicht an dramaturgischen Vorgaben, sondern irritiert und überfordert seinen Zuseher. Ansätze werden nicht zu Ende geführt, die Intention des Filmemachers ist undurchschaubar. So rückt im Laufe der Zeit der kleine Pius zunehmend in den Mittelpunkt, dessen Klassenkameradin Nähe zu ihm sucht, die er nach dem Vorbild seines Familienlebens jedoch nicht erwidern kann. Trotz seines autoritären, sadistisch veranlagten Religionslehrers findet der Bub Gefallen am Religionsunterricht. Seine Schulmappe, die den Titel “Folge mir” trägt, wird zum Symbol für sinnfreie Regeln und Demütigung. Der Lehrer droht den Schülern mit Bestrafung, wenn sie bei der nächsten Einheit, bei der sie den Folgeband erhalten, ihre alte Mappe mitnehmen.

Ob und inwiefern auch eine religiöse Symbolik hinter der Geschichte stehen soll, bleibt unklar. Hammel schuf einen nur schwer zu fassenden Experimentalfilm, der viele Zuseher ratlos zurücklassen wird. Die Zeitebenen greifen ineinander über, scheinen sich zu überlagern, lassen sowohl die Protagonistin als auch den Rezipienten rätseln, was real ist, was Vergangenheit und Gegenwart. “Folge mir” kann auch interpretiert werden als jenes Mitreißen in den Depressions-Strudel, in den der Ehemann Frau Blumenthal folgt. Und den direkten Auswirkungen auf Pius, der am Ende ganz alleine dasteht.

Der in der Schweiz geborene Johannes Hammel lebt seit 1986 als Filmemacher, Kameramann und Produzent in Wien. (Angelika Prawda/APA – VOL-Redaktion)

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