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Fünf Jahre Benedikt XVI.: Von "Wir sind Papst" zu Missbrauchsskandal

©AP
Die Wahl erfolgte überraschend schnell. "Habemus Papam", hieß es am 19. April 2005 aus dem Vatikan.

Heraus trat ein schüchtern lächelnder bayerischer Kardinal, den internationale Medien zuvor gerne als “Gottes Rottweiler” und “Inquisitor des Papstes” bezeichnet hatten – Joseph Ratzinger, bis dahin Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation.

Die “Bild-Zeitung” zeigte ihre Begeisterung über den deutschen Papst durch die legendäre Schlagzeile “Wir sind Papst!”, während sich britische Boulevardblätter mit “From Hitler Youth to Papa Ratzi” einen Nazi-Hinweis nicht verkneifen konnten. Sein Auftritt am Kölner Weltjugendtag im Sommer 2005 vor einer Million Gläubigen nahm auch viel Menschen für ihn ein, die nie einen anderen Pontifex als seinen 27 Jahre lang im Amt befindlichen charismatischen Vorgänger Johannes Paul II. gekannt hatten.

Fünf Jahre später ist die öffentliche Begeisterung für Benedikt XVI., wie der 83-Jährige sich seit seiner Papstwahl nennt, verflogen. Stattdessen dominieren nun Schlagzeilen über den Missbrauchsskandal in zahlreichen Einrichtungen der katholischen Kirche die internationalen Gazetten. Der Papst steht im Kreuzfeuer: Er habe als Erzbischof von München und dann als Glaubenspräfekt gegenüber schuldig gewordenen Priestern zu viel Nachsicht gezeigt, gar Missbrauchsfälle vertuscht, heißt es.

Seine Verteidiger – wie zuletzt der “New-York-Times”-Kolumnist Ross Douthat am vergangenen Wochenende – zeichnen allerdings ein anderes Bild: Ratzinger habe sich in seiner Zeit als Präfekt nachgewiesenermaßen für eine effiziente Aufklärung der Fälle eingesetzt. Zu diesem Zweck habe er 2001 alle Missbrauchsvorwürfe gegen Geistliche in die Zuständigkeit der Glaubenskongregation übernommen – während sich zuvor Kirchengerichte oft nur sehr langsam und über viele Jahre damit auseinandergesetzt hatten.

Der im März veröffentlichte Brief an die irischen Katholiken, in der Benedikt in beispielloser Schärfe den Bischöfen und schuldig gewordenen Geistlichen die Leviten liest, wird als weiteres Beispiel genannt, dass der Papst sehr wohl gewillt ist, das Übel des Missbrauchs in der Kirche zu bekämpfen. Zudem ist Benedikt XVI. der erste Pontifex, der persönlich Missbrauchsopfer getroffen hat – nämlich 2008 bei seinen Besuchen in den USA und Australien.

Bereits früher in seiner Amtszeit musste der Papst oft heftige Kritik einstecken. Ein Satz aus seiner eher wissenschaftlich gehaltenen Ansprache über Religion und Vernunft an der Universität Regensburg im September 2006, in dem er verurteilende Worte des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos über den islamischen Propheten Mohammed zitierte, führte zu schweren Protesten und Ausschreitungen in der muslimischen Welt. Erst mit seinem Besuch in der Türkei zwei Monate später, wo er in der Blauen Moschee von Istanbul einige Gebetsmomente einlegte, konnte Benedikt die Gemüter wieder beruhigen.

Anfang 2009 erschütterte erneut eine PR-Schlappe den Vatikan, als der Papst die Exkommunikation der vier Bischöfe der ultrakonservativen Piusbruderschaft (FSSPX) aufhob. Fast gleichzeitig sendete ein schwedischer TV-Sender nämlich ein Interview mit dem britischen Pius-Bischof Richard Williamson, in der dieser freimütig den Holocaust leugnete. Obwohl die Aufhebung der Exkommunikation eigentlich auf eine Versöhnung mit der seit 1988 von der katholischen Kirche abgespaltenen Gemeinschaft hinzielte, räumte der Papst in einer Botschaft im März 2009 ein, der Vatikan hätte bei seinem Vorgehen besser auf die “im Internet zugänglichen Nachrichten” über Williamson achten müssen.

Bei all diesen medialen Debatten gerät die eigentliche Gestalt von Benedikt allerdings etwas ins Hintertreffen: Jene eines stillen Intellektuellen und Theologen, der sich besonders mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft auseinandersetzt und gleichzeitig “die Freundschaft mit Jesus Christus” in den Mittelpunkt seiner Predigten und Ansprachen stellt. Mit seinem Buch “Jesus von Nazareth”, dessen zweiter Band in den nächsten Monaten erscheinen soll, konnte der Papst 2007 gar einen internationalen Sachbuch-Bestseller landen.

Seine bisher 13 Auslandsreisen haben Benedikt XVI. übrigens auch schon nach Österreich geführt: Im September 2007 pilgerte er zum 850. Jahrestag von Mariazell in den steirischen Wallfahrtsort. Bei großteils ungewöhnlich kühlen Temperaturen und strömendem Regen stattete er auch Wien und dem Stift Heiligenkreuz im Wienerwald einen Besuch ab.

Für das heurige Jahr sind Visiten in Malta, Portugal und im September in Großbritannien geplant – wo sich im Übrigen derzeit die atheistischen Aktivisten Richard Dawkins und Christopher Hitchens für eine Verhaftung des Papstes wegen der Missbrauchsskandale einsetzen.

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