Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky sagte, das Label Demokratie in der EU würde an Wert gewinnen, wenn ideelle Positionen ausgetragen würden. Leider tun viele so, als sei die EU ein keimfreies automechanisches Getriebe.
Vranitzky forderte konkret eine sichtbare Politik, um das flaue Wirtschaftswachstum in der EU und die alarmierende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Er hält es für notwendig, dass das Erscheinungsbild des Dauer-Clinches zwischen Rat und Kommission beendet wird und sich beide Institutionen um mehr Komplementarität bemühen. Weiters wünscht sich der Ex-Kanzler, dass die Einteilung in große und kleine EU-Staaten und deren Interessen an Bedeutung verliert.
Auf der formalen Ebene sieht Vranitzky seit dem EU-Beitritt Österreichs die Verbesserung der Mechanismen der Gesetzgebung als Mirakel. Es gebe freie Wahlen auf EU- und nationalstaatlicher Ebene, und zwischen diesen Ebenen wichtige Verklammerungen. Auch die Abgeordneten auf beiden Ebenen würden viel mehr aufeinander zugehen als früher.
In 35 Gesetzesmaterien gebe es nach wie vor die Veto-Möglichkeit, so Fischler. Diesbezüglich sei kein hoher Stand von Demokratie erreicht worden. Die diesbezüglich wichtigste Frage sei die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in der Außenpolitik. Nach wie vor würden nationalstaatliche Interessen zum Tragen kommen. Aber auch in vielen anderen Bereichen gebe es nationale Interessen. So würde Österreich z. B. im Wasserrecht auch keine Änderungen akzeptieren. Mehr Transparenz könnte sich Fischler beim Prozess der Entscheidungsfindung im EU-Rat vorstellen. Darüber sollte diskutiert werden.
Bezüglich der Abhaltung von Referenden zur EU-Verfassung befinde man sich in einem Dilemma, so Fischler. Es sei zwar wünschenswert, dass die Bevölkerung in solch einer zentralen Frage abstimmen könne, doch die rechtlichen Voraussetzungen würden in einer Reihe von Staaten fehlen. Da Demokratie auch etwas mit Mehrheitswille zu tun habe, wäre es demokratiepolitisch problematisch, wenn etwa ein kleiner Staat wie Malta die Verfassung zu Fall bringen könne.
Vranitzky riet zu einem sparsamen Umgang mit Volksabstimmungen, da diese dazu neigen würden, als Denkzettel betrachtet zu werden. Sonja Puntscher-Riekmann von der Akademie der Wissenschaften hingegen hält Referenden zur EU-Verfassung als wünschenswert, da in deren Zug den Bürgern die Grundzüge der EU näher gebracht würden.
Fischler bezeichnete die Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft auf EU-Ebene besser als dies auf nationalstaatlicher Ebene der Fall sei. So hätten etwa Umweltorganisationen in einer Reihe von Verfahren Parteistellung. Dem widersprachen Puntscher-Riekmann sowie Cornelia Staritz von ATTAC Österreich. Die besten Chancen hätten jene Bürger, die die besten finanziellen Ressourcen hätten, so Puntscher-Riekmann. Staritz wies darauf hin, dass in Brüssel 10.000 hauptamtliche Lobbyisten aus dem Industriebereich tätig seien, gegenüber 100 aus dem Umwelt- und Menschenrechtsbereich.
Scharfe Kritik richtete Staritz gegenüber den geplanten neuen EU-Dienstleistungsrichtlinien, die in Österreich auf breite Ablehnung stoßen würden, jedoch von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der Industriellenvereinigung in Österreich sowie der EU-Kommission forciert würden. Auch hier handle es sich um ein Demokratiedefizit.