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Fischler warnt vor Schaffung von Kernstaaten

EU-Agrarkommissar Fischler hat vor der Bildung eines Kerneuropas, „das sich nicht mehr um die anderen Staaten kümmert", gewarnt. Chirac und Schröder wollen ein eigenes Europa schaffen.

Der französische Präsident Jacques Chirac hatte nach dem Scheitern des EU-Gipfels am Samstag die Bildung einer „Gruppe von Pionieren” vorgeschlagen, die Europa voran bringen soll. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte erklärt, es gebe derzeit keine Initiative zur Bildung eines „Kerneuropas”. Eine solche sei aber auch nicht ausgeschlossen.

Wenn einige sich durchsetzten, bestünde zudem die Gefahr der Bildung von zwei oder drei weiteren Gruppen, die ihre eigenen Interessen durchsetzen wollten, sagte Fischler. „Das wäre der Anfang vom Ende eines gemeinsamen Europas.”

Fischler glaubt nicht, dass Österreich Teil eines solchen Kerneuropa sein könne. Im wirtschaftlichen Bereich würde es zwar keine Probleme haben, jedoch im sicherheitspolitischen und wegen seiner Ablehnung eines europäischen Staatsanwalts auch im juristischen Bereich.

Eine EU der zwei Geschwindigkeiten sowie die Entwicklung eines Kerneuropas im Rahmen der EU-Institutionen – wie es im Verfassungsentwurf vorgesehen sei – würden für Fischler hingegen kein prinzipielles Problem darstellen. Er verwies auf das Beispiel des Euro.

Es sei ein „Dilemma”, dass nationale Interessen hinter EU-Interessen gestellt würden, sagte Fischler. Regierungen würden nicht erkennen, dass EU-Interessen „die Interessen aller” seien und Probleme im Rahmen der EU „einfacher, besser und effizienter” gelöst werden können.

Er sehe keine Bereitschaft von Regierungen mehr, kurzfristige Nachteile für langfristige Vorteile in Kauf zu nehmen, wie dies etwa die Regierung unter dem deutschen Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Befürwortung des Euro auch gegen nationalen Widerstand gemacht habe. „Das ist ein Teil des Problems.”

In der ersten Hälfte des kommenden Jahres hält Fischler eine Einigung in der Verfassungsfrage für nicht wahrscheinlich. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Parlamentswahlen in Spanien und die Europaparlamentswahlen, die keine günstige Vorausetzung für eine weitreichende Debatte bieten würden. Die erste Möglichkeit sehe er im Sommer unmittelbar nach den EU-Parlamentswahlen. In dieser Zeit müsse auch ein neuer Kommissionschef bestimmt werden.

Polen habe sich mit seiner Haltung selbst einen schlechten Dienst erwiesen, sagte der EU-Kommissar. Es habe allerdings bemerkt, dass es die Dinge nicht auf die Spitze treiben und dann doch noch ein Ergebnis erreichen könne. Dies sei eine Lehre. Es sei auch zu bezweifeln, ob Warschau sich bei den anderen Beitrittsstaaten sehr beliebt gemacht habe.

Eine Vermischung der Verhandlungen von Finanzierung und politischen Rahmenbedingung lasse sich nicht mehr vermeiden, sagte Fischler. Je größer das Paket, um das verhandelt werde, sei, desto mehr Spielraum zum Ausbalancieren sei vorhanden. „Es darf ja niemand das Gesicht verlieren.” Fischler hofft, die Kommission werde im Jänner kommenden Jahres ein Finanzierungs-Konzept vorlegen können.

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