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Führungsstreit bei Frankreichs Sozialisten

Bei den französischen Sozialisten (PS) zeichnet sich ein schwieriger Prozess bei der Regelung der Nachfolge des langjährigen Parteichefs Francois Hollande ab.

Eine Parteiveranstaltung am Wochenende in La Rochelle war weit mehr durch personelle Streitigkeiten als programmatische Debatten gekennzeichnet. Die einzelnen Flügel beharrten in Hinblick auf den Parteitag von Reims im kommenden November auf ihre jeweiligen Kandidaten.

Die Kandidaten haben bis zum 23. September Zeit, um ihre Entschließungsvorschläge einzubringen, über welche die Delegierten beim Parteitag dann zur Bildung der neuen PS-Leitung abstimmen müssen. In La Rochelle haben sich vier Strömungen mit Siegeschancen abgezeichnet, betonte der PS-Abgeordete Jean-Christophe Cambadelis. Neben dem “linken” Flügel um Benoit Hamon und den Anhängern der ehemaligen Präsidentenschaftskandidatin Segolene Royal handelt es sich dabei um jene des Pariser Bürgermeisters Bertrand Delanoe und um die “Erneuerer”, die allerdings noch über keine Führungsfigur verfügen, meinte Cambadelis.

Bei den “Erneuerern” handelt es sich um eine neu entstandene Allianz zwischen der ehemaligen Arbeits- und Sozialministerin Martine Aubry, jetzt Bürgermeisterin von Lille, Ex-Premier Laurent Fabius, dem ehemaligen Wirtschaftsminister und derzeitigen Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sowie dem “Enfant terrible” der Partei, Arnaud Montebourg. Ein Teil der Anhänger von Strauss-Kahn nehmen allerdings unter der Federführung des ehemaligen Europaministers Pierre Moscovici Anstoß an dieser Allianz der “Elefanten” mit Montebourg.

Moscovici, der selbst für die PS-Leitung kandidiert, wirft Royal, Delanoe und Aubry vor, sich bereits als nächste Präsidentschaftskandidaten etablieren zu wollen. In seiner Abschlussrede in La Rochelle hat Hollande, der sich – als Nachfolger von Lionel Jospin – seit elf Jahren an der Spitze der Partei befindet, seine Kollegen vor der “Unregierbarkeit” der Sozialistischen Partei gewarnt, falls die “Egoismen” gegenüber den Inhalten Vorrang haben sollten. “Wir können nicht Anspruch darauf erheben, das Land zu regieren, wenn wir nicht imstande sind, uns selbst zu regieren”, sagte Hollande, seit dessen Amtsantritt 1997 die PS fünf Jahre an der Macht und sechs Jahre lang in der Opposition war.

In La Rochelle waren drei Tage lang rund 4.000 militante Basisanhänger der PS versammelt, um über die soziale Gerechtigkeit, die Zukunft der Sozialdemokratie und den Umweltschutz zu debattieren. Die öffentliche Aufmerksamkeit war aber vor allem auf die möglichen Präsidentschaftskandidaten Segolene Royal und Bertrand Delanoe gerichtet. Sehr medienwirksam war insbesondere ein freundschaftliche Kuss zwischen Royal und ihrem langjährigen ehemaligen Lebensgefährten Hollande, die sich während des Präsidentschaftswahlkampfes 2007 getrennt hatten.

“Wenn man sich das Spektakel in La Rochelle ansieht, so bestätigt das sehr wohl, dass die PS krank ist”, kommentierte der Europaparlamentarier Benoit Hamon das Treffen. “Ich habe noch nie einen so dummen Kongress gesehen”, sagte Vincent Peillon, ein enger Mitstreiter Royals. Die Präsidentin der Atlantik-Region Poitou-Charentes hat ihre Anhänger bereits zu einem großen “Treffen der Brüderlichkeit” eingeladen, das am 27. September im Zenith in Paris stattfinden und als Vorbereitung auf den Parteitag von Reims dienen soll. Royals Anhänger stellten allerdings bereits in La Rochelle klar, dass sie auch dann bei der Präsidentenwahl 2012 kandidieren wolle, wenn ihre Strömung innerhalb der PS nicht mehrheitlich sein sollte. Sie erinnerten insbesondere daran, dass weder Ex-Premier Lionel Jospin (1997-2002) noch der verstorbene Präsident Francois Mitterrand (1981-1995) mit ihren Strömungen in der 1971 neu gegründeten Partei die Mehrheit hatten.

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