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Festspiel-Ereignis Belcanto: Edita Gruberova als "Norma" in Salzburg

Festspiel-Auffahrt mit hohem Promi-Faktor von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel abwärts. Verzweifelte Opernfreunde vor dem Großen Festspielhaus mit "Suche Karte"-Schild. Und innerhalb der ausverkauften heiligen Hochkultur-Hallen ein Stimmwunder namens Edita Gruberova.
Bilder der prominenten Gäste
Karajan selig hätte wohl seine Freude gehabt an der konzertanten Aufführung von Vincenzo Bellinis tragischer Belcanto-Oper “Norma”, die gestern, Montag Abend, mit stehenden Ovationen gefeiert wurde.

Den Löwenanteil an diesem Enthusiasmus hatte zweifelsfrei die Gruberova. Wie die slowakische Koloratur-Sopranistin die Titelrolle der Druidin, die an ihrer unheiligen Liebe zum römischen Prokonsul Pollione zugrunde geht, mit jeder Faser ihres Körpers lebt und dies stimmlich mit schier unendlichem Facettenreichtum umsetzt, das ist nach wie vor wohl weltweit konkurrenzlos.

Vor 36 Jahren (!) debütierte Gruberova unter Karajan in Salzburg als Königin der Nacht, und noch immer setzt sie die Spitzentöne mit traumwandlerischer Sicherheit. Wirklich ereignishaft sind jedoch die immer noch juvenile Klarheit ihrer Stimme, die stets eng am Text eingesetzten Färbungen und Schattierungen, ihr atemberaubend seidiges Legato. Gewann Gruberova bereits im ersten Akt der vermeintlich virtuos-harmlosen Dur-Seligkeit ungeahnte Tiefen ab, so vermittelte sie danach die Katharsis der Norma bis hin zum Gang auf den Scheiterhaufen mit beklemmender Authentizität. Nicht mehr die kantable Makellosigkeit war es, die fesselte, sondern fahles, roh deklamiertes Stöhnen und Ächzen einer Todgeweihten. Für die “Primadonna assoluta“, die zuletzt 1991 die Salzburger Festspiele beehrt hatte, wurde der Abend zur triumphalen Rückkehr.

Bellissimo Canto zweier Weltklasse-Sängerinnen

Doch der Jubel schloss auch die grandiose Joyce DiDonato mit ein, deren fülliger Mezzo für die dramatische Partie der Adalgisa wie geschaffen scheint. Bis weit in die Höhe hinauf vermag sie die Töne wunderbar zu formen, in den Duetten mit Gruberova wuchs DiDonato über sich hinaus. Fast spielerisch legten sich die Stimmen der beiden Weltklasse-Sängerinnen über- und untereinander, dynamisch ausgefeilt vereinigten sich die Leidensgenossinnen zu einem “Bellissimo Canto” der überirdischen Art. Dem großartigen Damen-Duo stand Marcello Giordani als Pollione zur Seite, der seine tenorale Strahlkraft in den Terzetten zügelte und sich uneitel ins Gesamte einfügte. Mit Bravi wurde auch Publikumsliebling Ferruccio Furlanetto bedacht, der Bass-Evergreen absolvierte die Partie des Oroveso mit all seiner Routine.

Ein Abend, fast wie zu Karajans Zeiten also – hätte auch das Pult ein Dirigent auf dem Niveau der Solisten ausgefüllt. Doch Friedrich Haider beließ es bei unauffälligem Verwalten, nur selten konnte er das nötige italienische Feuer im Orchester entfachen. Die Camerata Salzburg wirkte unter diesem Dirigat merkwürdig blass, weit entfernt von der Präzision, Prägnanz und Spielfreude der Schumann-Integrale unter Philippe Herreweghe noch vor wenigen Tagen. Die KonzertvereinigungWiener Staatsopernchor präsentierte sich gewohnt trittsicher und stimmlich ausbalanciert. Das wahre Festspiel-Ereignis fand ohnehin im Rücken des Dirigenten statt.

(Florian Oberhummer/APA)

Norma“, Tragedia lirica in zwei Akten von Vincenzo Bellini. Libretto von Felice Romani. Konzertante Aufführung bei den Salzburger Festspielen im Großen Festspielhaus. Es musizieren die Camerata Salzburg und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor unter der Leitung von Friedrich Haider. Die Solisten: Edita Gruberova als Norma, Joyce DiDonato als Adalgisa, Marcello Giordani als Pollione, Ferruccio Furlanetto als Oroveso, Ezgi Kutlu als Clotilde, Luciano Botelho als Flavio. Weitere Vorstellung: 14. August, 19.30 Uhr. http://www.salzburgerfestspiele.at

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