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Faymann sieht keinen Anlass für Kursänderung

Auch das größte Debakel in der Geschichte der SPÖ bringt den Bundeskanzler nicht aus der Ruhe.
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In seinen ersten Interviews nach dem Absturz der Sozialdemokraten auf knapp 24 Prozent der Stimmen bei der EU-Wahl erklärte deren Vorsitzender Werner Faymann ganz im Gegenteil, dass der neue europakritische Kurs sogar richtig gewesen sei.

Es habe nur die Zeit gefehlt, ihn entsprechend zu kommunizieren. Schuldzuweisungen des Kanzlers gab es nicht, vielmehr warb er in seinen Interviews mit dem ORF um Solidarität in der Partei.

Die forderte ironischerweise auch der Koalitionspartner bei den Sozialdemokraten ein. ÖVP-Chef Josef Pröll, der sich trotz nicht einmal 30 Prozent dank Platz 1 als Sieger des Urnengangs fühlt, richtete der SPÖ aus: “Ich verstehe das nicht, dass aus der dritten, vierten Reihe begonnen wird, auf den Kanzler zu schießen.” Man befinde sich in einer Wirtschaftskrise, da “muss man auf Stabilität setzen und nicht wegen eines Wahlergebnisses die Nerven verlieren”, sagte Vizekanzler Pröll.

Die Nerven schon etwas strapaziert sind beim steirischen Landeshauptmann Franz Voves, der im kommenden Jahr mit seiner SPÖ Platz eins in der Wählergunst zu verteidigen hat. Er hielt fest: “Mit einer Nicht-Linie kann man keinen Wahlkampf gewinnen, gefehlt hat, dass sich die Spitze der Partei ganz eindeutig zu Europa bekennt.” Nicht gefallen hat Voves ferner, dass Faymann am Wahlabend – höchst ungewöhnlich – nicht einmal in der Parteizentrale erschienen war: “Gerade in der Niederlage muss man als Captain zur Mannschaft stehen.” Die gleiche Kritik kam aus der Vorarlberger SPÖ. Die Kärntner Sozialdemokraten verlangten ein Ende der “Schönwetterpolitik”.

Faymann selbst warb hingegen unverdrossen für Solidarität und Gemeinsamkeit in der Partei. Kritik an Spitzenkandidat Hannes Swoboda blieb ebenso aus wie am für den Wahlkampf zuständigen Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter. Was er nun genau in der Partei ändern will, ließ der SPÖ-Chef offen. Organisatorische Schwachstellen müssten beseitigt und die SPÖ klarer und deutlicher werden, blieb Faymann vage.

Klare Vorstellungen hat die ÖVP, wie es mit der Besetzung des österreichischen EU-Kommissars weitergehen soll. “Nach dem gestrigen Ergebnis ist aus meiner Sicht klar: Wir wollen den Kommissar stellen”, sagte Parteichef Pröll. Als Favorit gilt dessen Vorgänger Wilhelm Molterer, der dann auch von Klubobmann Karlheinz Kopf als potenzieller Kandidat genannt wurde.

Gelaufen dürfte bei der ÖVP auch die Frage sein, wer Delegationsleiter wird. Auch wenn der Listenzweite Othmar Karas mit seiner Vorzugsstimmen-Kampagne Spitzenkandidat Ernst Strasser nach bisherigen Ergebnissen übertreffen dürfte, hat sich der ehemalige Innenminister wohl durchgesetzt. Parteichef Pröll konstatierte: “Er hat uns gestern zum Wahlsieg geführt.” Am klarsten wurde Seniorenbund-Obmann Andreas Khol: “Nur der Karas will sich selber”, meinte der frühere Klubchef und verwies darauf, dass sich die anderen schwarzen EU-Parlamentarier hinter Strasser gestellt hätten.

Bei der FPÖ wurde der Wahlkampf auch am sonst “blauen” – also freien – Montag fortgesetzt. Das Ergebnis seiner Partei wollte sich Obmann Heinz-Christian Strache nicht schlecht machen lassen, wiewohl man klar unter dem Abschneiden bei der Nationalratswahl geblieben war. “Großartig” sei es, dass man den Wähleranteil gegenüber der letzten EU-Wahl verdoppelt habe, tönte der blaue Frontmann. Besondere Freude macht Strache auch, dass gerade die SPÖ so schlecht abgeschnitten hat: “Die SPÖ ist in der Faymann’schen Negativspirale gefangen.”

Ein wenig nervös wird man bei den oberösterreichischen Grünen, die heuer noch eine Landtagswahl zu schlagen haben, nach dem neuerlich enttäuschenden Abschneiden der Bundespartei. Landessprecher Rudi Anschober forderte den raschen Abschluss des bereits eingeleiteten Reform-Prozesses, um wieder inhaltlich in die Offensive gehen zu können.

Spannend dürfte das Vorzugsstimmen-Duell bei den Grünen werden. Zwar war Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek hier in Wien vorne, durch das ebenfalls starke Abschneiden der Listenzweiten Eva Lichtenberger in der Bundeshauptstadt ist es aber gut möglich, dass sie das derzeit schon fest stehende Grünen-Mandat ergattert. Denn in ihrem Heimatland Tirol ist vor allem mit Lichtenberger-Stimmen zu rechnen. Letztlich dürfte das ganze freilich nur symbolischen Charakter haben, da die Grünen wahrscheinlich über die Briefwähler noch einen zweiten Sitz in Brüssel dazugewinnen.

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