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Fatale Spritzenverwechslung an Grazer Uniklinik: Krebspatient im Tiefschlaf

Substanz für Chemotherapie dürfte ins Rückenmark statt in Vene verabreicht worden sein.
Substanz für Chemotherapie dürfte ins Rückenmark statt in Vene verabreicht worden sein. ©dpa (Themenbild)
Eine "unfassbare" Verwechslung zweier Spritzen bei der Behandlung eines Blutkrebs-Patienten hat das LKH Graz am Mittwoch bestätigt. Dem Kranken wurde in der Vorwoche im Zuge der ambulanten Chemotherapie die Substanz ins Rückenmark statt in die Armvene injiziert.

Mit fatalen Folgen: Der Patient befindet sich seitdem auf der Intensivstation, er wurde in den Tiefschlaf versetzt. Medienberichten zufolge soll er in Lebensgefahr schweben.

Spritze für Vene ins Rückenmark verabreicht

Die Fehlmedikation hat sich bereits in der Vorwoche ereignet: Dem Patienten, der sich aufgrund seiner Leukämieerkrankung einer ambulanten Chemotherapie unterzieht, sollten zwei Substanzen injiziert werden: Eine in die Armvene und eine ins Rückenmark. Eine Ärztin soll dem Patienten jedoch die Spritze für die Vene fälschlicherweise ins Rückenmark verabreicht haben. Der Spritze soll angeblich die Kennung gefehlt haben.

Ärztlicher Direktor bestätigt Vorfall

“Ja, es ist tatsächlich ein Fehler passiert. Ein Medikament, das für die intravenöse Verabreichung vorgesehen war, wurde ins Rückenmark injiziert”, sagte Gernot Brunner, ärztlicher Direktor des Grazer LKH, bei einer Pressekonferenz. Die Verwechslung sei sofort erkannt worden, der Patient werde seither intensivmedizinisch behandelt. Brunner bestätigte, dass die Spritze keine Kennung hatte.

Verwechslung nach Verabreichung erkannt

“Wir wissen noch nicht, wo der Fehler seinen Ausgang nahm. Wir arbeiten nach wie vor an der lückenlosen Aufklärung”, sagte Brunner. Die Verwechslung sei unmittelbar nach der Verabreichung erkannt worden, “als die weitere Spritze für die intravenöse Injektion nicht da war”, schilderte der ärztliche Direktor. Eine Sachverhaltsdarstellung sei bereits an die Staatsanwaltschaft geschickt worden.

“Das Unfassbare ist geschehen”

“Aus noch nicht ganz klaren Gründen ist das Unfassbare geschehen. Wir waren immer der Meinung, dass unsere Sicherheitsvorkehrungen ausreichend sind”, meinte Franz Fazekas, Vorstand der Uniklinik für Neurologie, dessen Mitarbeiterin die Spritze in den Rückenmarkraum des Patienten injiziert hatte. Medikamente für die Chemotherapie würden am LKH Graz zentral aufbereitet, damit die adäquate Hygiene gewährleistet ist. Die Medikamente werden dann von einem Mediziner und einer Pflegekraft geholt und überprüft.

Bisher sei nicht nachvollziehbar, warum die betreffende Spritze keine Kennung hatte und dennoch verabreicht wurde. Nach Bekanntwerden der Verwechslung sei der Patient “innerhalb von zehn Minuten” informiert und unmittelbar eine Behandlung eingeleitet worden, betonte Fazekas.

KAGes bei Fehlersuche einen Schritt weiter

Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) erklärte Mittwochnachmittag, dass man bei der Fehlersuche nach der Spritzenverwechslung zumindest einen kleinen Schritt weitergekommen sei: “Die Spritze war bei der Auslieferung aus der Anstaltsapotheke jedenfalls gekennzeichnet”, erklärte Sprecher Reinhard Marczik. Was nach der Ausgabe in der zentralen Apotheke des LKH Graz weiter passiert ist, sei noch nicht ganz klar. Die Ablaufkette werde weiter untersucht, so Marczik.

Schwere Nebenwirkungen möglich

Das an der falschen Stelle verabreichte Medikament könne schwere Nebenwirkungen verursachen, die das Gehirn und das Rückenmark schädigen können. Mittels Spülungen müsse versucht werden, das Medikament wieder aus dem Rückenmark herauszubekommen, erklärte Heinz Sill, supplierender Leiter der klinischen Abteilung für Hämatologie. Details zur definitiven Behandlung des Patienten und dem aktuellen Zustand des Patienten wollte Sill nicht nennen.

Der Chemotherapie, wie sie an dem betroffenen Patienten angewandt wurde, werde in Graz seit vielen Jahren an rund 30 Patienten jährlich praktiziert. “Nie ist eine Komplikation eingetreten”, sagte Sill. Die aktuelle Verwechslung sei “ein wirklich gravierendes Ereignis, das uns sehr betroffen gemacht hat”. Natürlich werde intensiv an der Aufklärung des Vorfalls gearbeitet und nach einer Lösung gesucht, wie sich ein derartiger Vorfall dauerhaft vermeiden lässt. Erste Konsequenz: Das zu verabreichende Medikament muss in Zukunft von zwei Ärzten auf seine Richtigkeit geprüft werden, so Brunner.

Staatsanwaltschaft leitete Verfahren ein

Bei der Anklagebehörde wartet man nicht auf das Eintreffen der Selbstanzeige. “Wir haben aufgrund der Presseberichte von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet”, erklärte der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Hansjörg Bacher, gegenüber der APA. Nun muss die Polizei den Sachverhalt erheben, außerdem wird vermutlich ein Gutachter bestellt werden.

(APA/red)

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