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Fast sieben Millionen Deutsche arbeitslos

Experte Scherl: Schon bisher über 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland und unter Hinzurechnung der stillen Arbeitsmarkt-Reserve sind sechs bis sieben Millionen Menschen ohne Arbeit.

Die Zahl der Arbeitslosen hat nach Einschätzung des Nürnberger Hochschullehrers Professor Hermann Scherl bereits in den vergangenen Jahren und nicht erst seit dem Jänner deutlich über fünf Millionen gelegen. Rechne man die amtlich nicht registrierte so genannte Stille Arbeitsmarkt-Reserve hinzu, seien derzeit in Deutschland sechs bis sieben Millionen Menschen ohne Arbeit, sagte der Professor für Sozialpolitik an der der Universität Erlangen-Nürnberg am Dienstag zur dpa.

Das als reine Verwaltungsstatistik konzipierte Zahlenwerk der Bundesagentur für Arbeit (BA) habe immer nur einen Teil der deutschen Arbeitsmarktwirklichkeit abgebildet, gab der Hochschullehrer zu bedenken.

So schätzten Experten allein die so genannte Stille Reserve auf 2,7 Millionen Menschen, die in der amtlichen Arbeitsmarktstatistik nicht erfasst seien. Darunter seien rund 900.000 Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Weitere 1,8 Millionen tauchten in der Statistik nicht auf, weil sie von den Arbeitsagenturen entweder keine Leistungen erwarteten und deshalb auf eine Arbeitslosenmeldung verzichteten oder nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes den Kontakt zur Arbeitsagentur nicht weiter aufrecht hielten.

„Viele in dieser Gruppe suchen mehr oder minder aktiv nach einem Job“, erläuterte Scherl. Zu diesem aktiven Teil der Stillen Reserve gehörten auch viele Frauen, die nach längerer Unterbrechung wieder ins Berufsleben zurückkehren wollten. „Ein anderer Teil in dieser Gruppe hat die Jobsuche zwar entmutigt aufgegeben, wäre aber bereit, wieder erwerbstätig zu werden, wenn sich dafür eine Gelegenheit böte. Experten sprechen hier vom passiven Teil der Stillen Reserve.“

Zum Anstieg der Stillen Arbeitsmarkt-Reserven hätten seit einiger Zeit auch so genannte Aktivierungskampagnen oder Karteibereinigungs-Aktionen der Arbeitsagenturen beigetragen: „Arbeitslose, die sich nicht regelmäßig bei den Arbeitsämtern gemeldet haben oder Vorladungen nicht folgten, seien aus der Statistik gestrichen worden. Viele Arbeitslose über 58 Jahre wurden von den Arbeitsämtern dazu überredet, auf weitere Vermittlungsbemühungen zu verzichten“, erläuterte Scherl. Damit seien fast 400.000 Personen aus der Arbeitslosenstatistik herausgefallen.

Nur ungefähre und gewagte Schätzungen lägen hingegen über den Anteil von Erwerbslosen vor, die zwar amtlich als arbeitslos registriert seien, aber aktuell keine Arbeit aufnehmen wollen oder aus gesundheitlichen Gründen an einer Beschäftigung gehindert seien – und nach den Buchstaben des Gesetzes damit nicht zu den Arbeitslosen gezählt werden dürften. Nach einer älteren Infas-Umfrage liege dieser Anteil von „Scheinarbeitslosen“ zwischen 10 und 30 Prozent. Unter früheren Beziehern von Sozialhilfe, die nun mit der Hartz-IV-Reform neu als Arbeitslose registriert werden, dürfte dieser Anteil noch höher sein.

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