AA

Familie des Ex-Staatssekretärs entführt

Zehn Tage nach der Freilassung von Susanne Osthoff im Irak macht wieder eine Entführung von Deutschen in der arabischen Welt Schlagzeilen: Die Familie des Ex-Staatssekretärs Chrobog wurde entführt.

Bei dem im Jemen entführten Deutschen handelt es sich um den ehemaligen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, sowie seine Frau und seine drei Kinder. Das teilte die ARD am Mittwoch unter Berufung auf „sichere Quellen im Jemen und in Berlin“ mit. Der 65-Jährige war unter der rot-grünen Regierung im Außenministerium in Berlin tätig. Vom Auswärtigen Amt war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Chrobog hatte 2003 als Leiter des Krisenstabes entscheidenden Anteil an der Befreiung von 14 verschleppten deutschen Sahara-Touristen aus dem Süden Algeriens. Zuvor war Chrobog von April 1995 bis Juli 2001 deutscher Botschafter in den USA. Seit Juli 2005 ist Chrobog Vorstandsvorsitzender der BMW Stiftung „Herbert Quandt“. Er und seine Familie waren im Weihnachtsurlaub bei einer Reise durch den Jemen entführt worden.

Vertreter der jemenitischen Regierung hatten erklärt, Mitglieder einer Stammesgruppe hätten die Deutschen im Osten des Landes gekidnappt. Sie forderten die Freilassung inhaftierter Clan-Mitglieder, die in Jemen unter anderem wegen Mordes im Gefängnis säßen. Die Verhandlungen mit den Entführern liefen auf Hochtouren. Das Auswärtige Amt in Berlin bildete einen Krisenstab. Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist eine fünfköpfige Familie in Jemen von Stammesangehörigen verschleppt worden. Für das Land im Süden der arabischen Halbinsel ist dies eine Hiobsbotschaft: Es ist bereits das dritte Mal innerhalb von drei Wochen, dass Ausländer gekidnappt werden. Dabei war der Jemen zuletzt bemüht, sein Image als Hochburg der Entführungen endlich abzuschütteln. Eigentlich war alles getan, um die Sicherheit der Deutschen in ihrem Weihnachtsurlaub zu gewährleisten. Wie in vielen Regionen des Jemen üblich, begleiteten Soldaten die beiden Geländewagen der beiden Eltern und ihrer drei Söhne auf der Strecke von Aden nach al-Mukalla im Süden des Landes. Doch dann zogen sich die Bewaffneten im Ort al-Aram zum Mittagessen zurück. Und die Entführer nutzen die Gelegenheit und brachten die Eltern und ihre drei Söhne samt den jemenitischen Fahrern und dem Reiseleiter in ihre Gewalt.

„Sie bekommen zu Essen und zu Trinken – mehr, als man erwarten würde. Es ist alles in Ordnung“, sagt der Vertreter der führenden jemenitischen Reiseagentur ATG, mit der die Familie unterwegs war. Die jemenitischen Fahrer wurden mit entführt – so ist zumindest die Verständigung zwischen Kidnappern und Opfern gewährleistet. Aber Anlass zur Sorge sehen die Reiseveranstalter ohnehin nicht. „Das ist eine Sache von ein paar Stunden, höchstens Tagen“, gibt sich der ATG-Vertreter optimistisch. Dann könnten die Urlauber ihre Reise unbeschadet fortsetzen.

Die Entführung markiert eine neue Serie: Fast vier Jahre konnten sich Urlauber im Jemen in Sicherheit wähnen – bis Ende November zwei Schweizer für einen Tag Stammesleuten in Marib als Faustpfand dienen mussten, um von der Regierung die Verlegung eines Gefangenen zu erpressen. Zwei Tage vor Weihnachten brachten Entführer ebenfalls in Marib zwei österreichische Architekten in ihre Hand. Mit den Geiseln sollten drei Angehörige freigepresst werden, die verdächtigt wurden, im Irak gekämpft zu haben. Die Österreicher kamen am Heiligen Abend unversehrt frei.

„Dorfbewohner sehen Entführungen oft als letztes Mittel, mit der Regierung zu verhandeln“, sagt die Expertin für das Stammeswesen und Universitätsdozentin Raufa Hassan Alsharki. In die korrupte Justiz und in die träge Verwaltung haben die wenigsten Vertrauen, und in den abgelegenen Wüstengebieten ist die Staatsmacht kaum präsent. Die Folge: mehr als hundert Entführungen in den 90er Jahren. Clans brachten Urlauber in ihre Gewalt, um ihren Forderungen nach neuen Schulen oder einer Asphaltstraße Nachdruck zu verleihen. Die Entführer behandelten ihre Opfer zuvorkommend wie Gäste, mancher Reiseführer pries die Geiselhaft im Beduinenzelt gar als Höhepunkt einer Tour durch das einstige Arabia Felix.

Das Auswärtige Amt riet schon vor Entführung der Familie dringend von Einzelreisen durch den Jemen ab. Auch Gruppenreisen sollten nur mit „erfahrenen jemenitischen Partnern“ erfolgen, heißt es auf der Internetseite. Eine Sicherheitsgarantie ist aber auch dies nicht, wie der Fall der Deutschen zeigt.

Machen westliche Urlauber bald wieder einen Bogen um das Land an der Weihrauchstraße? Nach den ersten beiden Entführungen in diesem Jahr habe es keine Stornierungen gegeben, sagt der Reiseunternehmer Mohammed Baza, der auf das Geschäft mit deutschsprachigen Urlaubern spezialisiert ist. Am Mittwoch habe er allerdings schon erste besorgte Anrufe von deutschen Kunden erhalten. Wenn die Deutschen auch jetzt wieder schnell frei kämen, werde es keinen Einbruch im Tourismus geben, hofft Baza. In Zukunft müssten Jemen-Reisende aber sicherlich mit noch mehr Militärkontrollen rechnen.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Familie des Ex-Staatssekretärs entführt
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen