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Falsche Postzusteller überfielen in Wien Pensionistinnen: Prozess vertagt

Falsche Postzusteller - Verhandlung wird im Oktober fortgesetzt
Falsche Postzusteller - Verhandlung wird im Oktober fortgesetzt ©APA
Mit besonders brutalen Überfällen auf betagte Frauen hatte sich ein Schwurgericht zu beschäftigen. Zwei Männer und zwei Frauen saßen auf der Anklagebank, weil sie 2010 und 2014 in die Wohnungen der Pensionistinnen eingedrungen waren, indem sie sich als Postzusteller ausgaben.

Ein 77-Jährige wurde dabei so schwer verletzt, dass sie nun mit schweren Dauerfolgen leben muss. Von den Angeklagten, die allesamt aus Bulgarien stammten, bekannte sich nur eine 41-jährige Frau schuldig, sie soll bei den Überfällen hauptsächlich Aufpasserdienste getätigt haben, wie ihre Anwältin Sonja Scheed darlegte. Ihr 35-jähriger Komplize gab zwar zu, in einer der Wohnungen Wertgegenstände an sich genommen zu haben, mit den brutalen Übergriffen will er nichts zu tun haben. Die beiden anderen Beschuldigten, eine 32-Jährige und ein 37-Jähriger, leugneten die Überfälle.

Brutale Raube in Wien

Drahtzieher der brutalen Raube soll jedoch der 37-Jährige gewesen sein. Er wird von den beiden geständigen Mittätern schwer belastet. Zum ersten Mal schlug die Bande im April 2010 zu. Drei von ihnen, die eigentlich in Deutschland leben, reisten extra dafür nach Wien. Der 37-jährige Haupttäter läutete mit einer Komplizin an der Wohnung einer 85-jährigen, gehbehinderten Pensionistin und wachelte mit einem Brief in der Hand und mit den Worten “Post für Sie” vor dem Türspion.

Als die 85-Jährige öffnete hielt ihr der 37-Jährige laut Anklage den Mund zu und drängte sie in die Wohnung. Er nahm der betagten Frau den Rollator, auf den sie angewiesen war, weg, drückte sie zu Boden und verlangte 300 Euro. Da sich in der Tasche der Pensionistin nur 200 Euro befanden, nahm er die Bankomatkarte der Frau an sich und versuchte, der Frau den PIN-Code herauszupressen. Obwohl die 85-Jährige jedoch keine Bankomatkarte mit Code-Funktion besaß und das auch immer wieder betonte, forderte der 37-Jährige dennoch immer wieder nach dem PIN-Code, während die Frauen die Wohnung durchsuchten. Das ganze soll sich über Stunden so hingezogen haben.

Polizei tappte im Dunklen

Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zündete schlussendlich der 37-Jährige eine Fernsehzeitung an und warf das brennende Stück auf das Bett der Pensionistin. Da die 85-Jährige immer noch keinen Code nennen konnte, fesselte er die Frau und verließ mit seinen Komplizinnen, die inzwischen Kerzenständer, Unterwäsche und Handtücher an sich rafften, die Wohnung. Die Frau wurde erst tags darauf von ihrem Sohn aus der misslichen Lage befreit.

Mehr als vier Jahre lang tappte die Polizei in dem Fall im Dunkeln. Es wurden in der Wohnung zwar DNA-Spuren gefunden, jedoch gab es in der Datenbank keinen Treffer. Im Dezember 2014 wurde schließlich eine 77-Jährige auf ähnliche Weise überfallen. Bei dem Raub waren wieder der 37-Jährige sowie die 41-jährige Beschuldigte und ein 35-jähriger Komplize im Spiel. Mit gelbem T-Shirt und einem Paket in der Hand gab sich der Hauptbeschuldigte als Postzusteller aus. Die 77-Jährige öffnete die Tür und die Männer drangen in die Wohnung ein, während die 41-Jährige auf der Straße aufpasste.

Männer wollten mehr Beute

Obwohl die Männer 14.000 Euro Bargeld sowie Schmuck im Wert von 10.000 Euro erbeuten konnten, wollten sie mehr Beute machen. Der Plan war, sich mit dem Opfer einige Tage in der Wohnung aufzuhalten und mit der Bankomatkarte der Frau jeden Tag den Höchstbetrag abzuheben. Um die Frau wehrlos zu machen, soll der 37-Jährige dermaßen brutal auf die 77-Jährige eingeschlagen haben, dass diese massive Verletzungen erlitt. Gerichtsmediziner Wolfgang Denk dokumentierte ein stumpfes Brustkorb- und Bauchtrauma mit Brüchen der sechsten bis neunten Rippe. Die Frau, die fast ihren Verletzungen erlegen wäre, erlitt zudem eine Prellung des aufsteigenden Dickdarmes mit Einblutungen im Gallenblasenbett, einer Ruptur der Milz mit Abriss der Milzschlagader sowie eine Blutung in der Bauchhöhle und eine Ablösung und teilweise Zerreißung der Bauchspeicheldrüse. Es mussten die Milz, die Bauchspeicheldrüse, die Gallenblase und ein Teil des aufsteigenden Dickdarms entfernt werden. Das Opfer, das sich mit symbolischen 100 Euro dem Verfahren anschloss, lebt seitdem mit einem künstlichen Darmausgang.

“Mir war nicht bewusst, dass Menschen verletzt werden”

Während der 37-Jährige zum Bankomat ging, um mit der Karte der Verletzten Geld abzuheben, wartete der 35-jährige Komplize, legte sich neben das Opfer aufs Bett und zündete sich genüsslich eine Zigarette an. Da jedoch plötzlich jemand an der Tür läutete, er in Panik aus dem Fenster sprang und sich dabei das Bein brach, flog der Überfall auf. Eine zufällig vorbeifahrende Polizeistreife wollte eigentlich dem verletzten 35-Jährigen helfen, die Beamten merkten jedoch, dass etwas nicht stimmte und fanden die lebensgefährlich verletzte Frau in der Wohnung.

“Ich wusste nicht, dass es um Raub geht. Wir wollten nach Wien kommen, um zu stehlen, aber es war mir nicht bewusst, dass auch Menschen verletzt werden”, sagte der 35-Jährige vor dem Schwurgericht (Vorsitz: Nina Steindl). Der Angeklagte, der von Irene Pfeifer vertreten wurde, gab an, vor dem 37-jährigen Haupttäter Angst gehabt und deshalb mitgemacht zu haben.

Verhandlung wird im Oktober fortgesetzt

Die Verhandlung gegen zwei Männer und zwei Frauen, die betagte Pensionistinnen überfallen haben sollen, wird nicht mehr am Donnerstag zu Ende gehen. Nach der Einvernahme von zwei Angeklagten am Nachmittag wird Schwurgerichtsvorsitzende Nina Steindl auf Oktober vertagen. Ein neuer Termin wurde für den 19. Oktober vereinbart (9.00 bis 16.00 Uhr, Saal 211), da ein Befragung von Zeugen mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Jene lebensgefährlich verletzte 77-Jährige ließ sich am heutigen Termin aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen, weil sie sich physisch und psychisch nicht in der Lage sieht, vor Gericht auszusagen.

(APA)

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