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Falluja: US-Offensive steigert Zorn

Der Kampfgeist gedeiht prächtig auf dem kargen Boden draußen im Palmenhain vor der Stadt, wo die gnadenlose Sonne über den Irak die ockerbraune Krume hat brüchig werden lassen.

Die notdürftig errichteten Zelte der Flüchtlinge aus der umkämpften Stadt ducken sich unter den Palmen, doch die Gedanken fliegen hoch. „Eigentlich sind wir Herrn Bush dankbar, dass er uns die Gelegenheit gegeben hat, für unsere Ehre, unser Territorium und unser Heimatland zu kämpfen“, sagt der Flüchtling Ahmed Tamimi mit zornigem Zynismus.

Eine Handvoll Familien hat es geschafft, die belagerte Stadt zu verlassen und im Hain nahe der Ortschaft Nuamijeh einige Kilometer von der Stadt entfernt Zuflucht zu suchen. Dort kultivieren sie ihren Groll gegen das harte Vorgehen der USA. Chaled Hussein sitzt grübelnd in seinem Rollstuhl und sieht zu, wie seine Familie zwischen den Bäumen das Nachtlager herrichtet. „Ich habe meine Kinder vor der Hölle des Kampfes gerettet und die Frauen in meiner Familie vor den Blicken der amerikanischen Eroberer“, resümiert der kriegsversehrte Exoffizier.

Fünf Stunden schlug er sich mit seinem Rollstuhl durch Felder und über holprige Wege durch, bis er den Unterschlupf erreichte. Unterwegs hätten Mitglieder der irakischen Zivilverteidigung, die von den USA trainiert wird, die Familie angehalten und die Männer zurückgeschickt. Nur Frauen, Kinder und er als Behinderter hätten passieren dürfen.

Nicht alle haben es aus der Stadt herausgeschafft, die als Widerstandshochburg den Zorn der US-Armee erregte. Der 39-jährige Abu Bakr sitzt auf seinem Krankenhausbett in Falluja. Eine Schrapnellgranate hat seine Schulter aufgerissen und so seine Laufbahn vom Gemüsehändler zum Freiheitskämpfer jäh unterbrochen. Der vierfache Vater hat nun Zeit, über die Ereignisse nachzusinnen, die in den vergangenen Tagen über sein Leben hereingebrochen sind, und über die Konsequenzen, die er daraus zu ziehen hat. Der Aufmarsch der Amerikaner hat den Kampfgeist des Krämers angestachelt: „Ich kann es kaum erwarten, bis meine Wunde heilt, damit ich mich wieder dem Widerstand anschließen kann“.

Das Krankenlager wurde notdürftig eingerichtet, nachdem die zwei Hauptkliniken von Falluja wegen der Kämpfe schließen mussten. Ärzte und Krankenschwestern bahnen sich mühsam einen Weg zwischen den Krankenbetten hindurch, von denen einhellig Kampfes- und Durchhalteparolen erschallen. Aus dem 48 Jahre alten Elektrizitätswerk-Angestellten Samer Husseini bricht es erregt heraus: „Wir kämpfen für unsere Freiheit, unsere Religion und unser Land. Der wahre Kampf hat erst begonnen. Unsere Stadt nimmt die Unterdrückung nicht hin“. Er glaubt an den Sieg über die Amerikaner, „weil die nur für materiellen Gewinn kämpfen, wir aber für Ideale“.

Der irakische Ex-Soldat Mahmud Yassin wurde bereits außer Gefecht gesetzt, bevor er zu den Waffen greifen konnte. Ein Querschläger verletzte ihn am Oberkörper, als er gerade vor seinem Haus stand. Yassin musste ins Krankenhaus. Dass er nicht aktiv am Kampf teilnehmen kann, macht ihn wütend. „Jetzt bin ich also hier und warte darauf, an die Reihe zu kommen. Es gibt viele von uns, die sich erstmal zurückhalten, um dann den Kampf zu übernehmen.“ Seinem Kampfesdrang steht freilich ein Hindernis entgegen: „Wir haben so viele Widerstandskämpfer, aber leider nicht genug Waffen für jeden“.

Ein einvernehmliches Auskommen zwischen Besatzern und Besetzten erscheint im Krankenhaus von Falluja ferner denn je. Von seinem Krankenbett aus sinniert Husseini über den möglichen Beginn einer ausgewachsenen Erbfeindschaft: „Am ersten Tag der Offensive sagte ich meinem Sohn Jamal, dass ich vielleicht im Kampf sterben werde, und dass er dann meine Waffen nehmen soll, um den Kampf fortzuführen, wenn er größer wird“.

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