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Falluja: Allawi ruft zur Waffenniederlegung auf

Der irakische Ministerpräsident Iyad Allawi hat die in Falluja verschanzten Rebellen zum Niederlegen der Waffen aufgerufen, um die irakischen Truppen friedlich in die Stadt einziehen zu lassen.

„Eine politische Lösung ist möglich, auch wenn die Militäroperationen weitergehen“, sagte ein Sprecher Allawis am Dienstag. Allawi sei in ständigem Kontakt mit den Stammesführern in Falluja.

Auch mit anderen Führern der Provinz El Anbar stehe er in Verbindung. Diese hätten der Regierung bereits ihre Unterstützung zugesichert. In Kürze werde auch der mächtige Stamm der Dulaimi in El Anbar die Regierung unterstützen. Die US-geführten Truppen brachten bei ihrer am Montag gestarteten Großoffensive nach eigenen Angaben bis Dienstagmittag ein Drittel Fallujas unter ihre Kontrolle.

Mit ihrer Großoffensive auf die sunnitische Widerstandshochburg Falluja sind die US-Truppen seit Montag in den Häuserkampf verwickelt, den sie bei der Einnahme Bagdads im April 2003 noch vermeiden konnten. In Falluja war der Krieg am Dienstag endgültig zurückgekehrt: Vor gespenstischer Kulisse kämpften hochgerüstete US-Soldaten und ihre irakischen Verbündeten gegen die mit Kalaschnikows und Granaten bewaffneten Rebellen. Dazwischen die Zivilbevölkerung: Eingeigelt in zerstörten Häusern ohne Strom, Wasser und ärztliche Versorgung.

Selbst vor Ort ist es unmöglich, sich ein unabhängiges Bild von der Lage zu machen. Seit Montag liegt die Stadt unablässig unter Beschuss. Wie schon im Sommer gegen die schiitischen Aufständischen in Najaf rückten die US-Truppen in einer Zangenbewegung vom Nordwesten und Nordosten aus auf das Stadtzentrum vor. Am Dienstagnachmittag haben sie nach eigenen Angaben bereits ein Drittel Fallujas unter ihrer Kontrolle und das Stadtzentrum schon fast erreicht. Immer wieder verkündet das US-Militär neue Erfolge: Das Krankenhaus sei eingenommen, zwei Brücken, der Bahnhof. Der zunächst erbitterte Widerstand der Rebellen sei praktisch zusammengebrochen. Die Präzisionswaffen ermöglichten einen zielgenauen Angriff – die Zivilbevölkerung bleibe weitgehend verschont.

Ganz anders die Lage aus der Sicht der Rebellen. Sie haben sich auf einen langen Guerillakampf eingerichtet, lassen die US-Truppen vorrücken, verschanzen sich in den Häusern und greifen erst dann an, wenn die Panzer in den engen Straßen gefangen sind. Noch am Nachmittag nehmen sie aus dem Hinterhalt eine Panzerkolonne auf der Straße des 7. April unter Beschuss; Berichte, ihr Widerstand sei zusammengebrochen, quittieren sie mit einem trockenen Lachen. Unterstützt wurden sie von den sunnitischen Geistlichen der Stadt, die über die Lautsprecher der Moscheen zum Widerstand aufrufen.

Sinnbild der widersprüchlichen Angaben ist das Viertel Jalon. Für die Amerikaner ist der Stadtteil im Nordwesten Fallujas eine Bastion der Rebellen. Seit Tagen schon bombardiert die US-Luftwaffen dort mutmaßliche Stellungen der Rebellen, insbesondere aber vermutete Verstecke des jordanischen Extremistenführers Abu Musab al-Zarqawi und seiner Anhänger. Ganz Jalon muss demnach am Widerstand gegen die US-Armee und Bagdad beteiligt gewesen sein: Ungefähr jedes zehnte Haus wurde komplett zerstört, die anderen sind kaum noch bewohnbar.

Leidtragende der Großoffensive sind – allen Versicherungen zum Trotz – die Zivilisten. Niemand weiß, wie viele der einstmals rund 300.000 Einwohner noch in der Stadt ausharren. Nach amerikanischen Angaben sind es gerade noch 30.000, der irakische Regierungschef Iyad Allawi spricht von 100.000 Einwohnern. Wird ein Haus getroffen, helfen die Rebellen bei der Evakuierung der Überlebenden. Die medizinische Versorgung ist aber weitgehend zusammengebrochen. Operiert wird derzeit in einem alten Kinosaal. Ärzte ohne chirurgische Erfahrungen nehmen Amputationen vor, es fehlt an Medikamenten, immer wieder fällt das Licht aus.

Das Hauptkrankenhaus steht seit Montag unter US-Kontrolle, ein weiteres befindet sich in unmittelbarer Nähe von US-Stellungen. Einem dritten, das mit Geldern aus Bahrain finanziert wird, fehlt noch die Ausrüstung. Nur die Notfallstation einer islamischen Organisation in einer Moschee im Zentrum der Stadt arbeitet noch, ihr einziger Krankenwagen ist unablässig im Einsatz.

Im April hatte die US-Armee Falluja schon einmal angegriffen, die Offensive dann aber nach heftigen Protesten wieder eingestellt. Nach ihrer Überzeugung hat sich die Stadt in der Zwischenzeit zu einem „sicheren Hafen“ des sunnitischen Widerstands entwickelt. Bis zu 3000 Kämpfer der unterschiedlichsten Couleur sollen sich nach US-Schätzung in der Stadt aufhalten, rund 10.000 weitere könnten sich anschließen. Wie eng der Zusammenhalt zwischen den einzelnen Gruppierungen ist, lässt sich ebenso schwer einschätzen wie ihr Durchhaltewillen. Für die USA und die irakische Regierung hat der Sieg über Falluja so kurz vor den geplanten Wahlen im Jänner vor allem große symbolische Bedeutung. Dass er leicht zu erringen sein wird, glaubt aber nicht einmal US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

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