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Fall Kampusch - Ernst H. der Begünstigung freigesprochen

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Ernst H., der beste Freund von Natascha Kampuschs Entführer, Wolfgang Priklopil, ist am Montag im Wiener Straflandesgericht vom Vorwurf der Begünstigung freigesprochen worden.
Priklopil- Freund vor Gericht

Kurz nachdem Natascha Kampusch nach achteinhalbjähriger Gefangenschaft die Flucht aus den Fängen ihres Peinigers gelungen war, hatte sich Priklopil telefonisch bei Ernst H. gemeldet und diesen zum Donauzentrum gebeten. “Er hat gesagt, es ist ein Notfall und ich soll ihn abholen so schnell es geht”, gab Ernst H. zu Protokoll. Priklopil, den er vor über 20 Jahren kennengelernt hatte, sei “in einem sehr schlechten Zustand” gewesen, als er zu ihm ins Auto stieg.

Er habe ihm “Anordnungen” erteilt, erinnerte sich Ernst H. Priklopil habe gemeint, er, H., solle ihn “wegbringen” und zuvor seine insgesamt drei Handys ausschalten: “Er war Nachrichtentechniker und wusste genau, dass man das orten und abhören kann.”

Nachdem er die Mobiltelefone außer Betrieb gesetzt hatte, habe ihm Priklopil die Entführung und Gefangennahme von Natascha Kampusch gestanden. Priklopil habe sich als “Entführer und Vergewaltiger” bezeichnet. “Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Ich war schockiert”, sagte Ernst H. Ihm sei in diesem Moment bewusstgeworden, dass das pausbäckige junge Mädchen, das er einmal in Begleitung Priklipols vor einer Halle gesehen hatte, nicht ein Kind aus der Nachbarschaft war, wie jener behauptet hatte, sondern die seit Jahren von der Polizei gesuchte Natascha Kampusch.

Er habe sich vor Priklopil gefürchtet und daher keine Möglichkeit gehabt, die Polizei anzurufen, insistierte der Angeklagte: “Mir war klar, dass sich jeder, der sich ihm in den Weg stellt, gefährdet ist. Er ist absolut gewaltbereit gewesen. Mir war klar, dass ich unter Gefahr stehe. Ich war in der gleichen Situation wie Natascha Kampusch.” Daher sei er insgesamt fünf Stunden mit dem Mann in der Gegend herumgefahren: “Ich musste ihn in Stimmung halten.” Priklopil habe schließlich die Autoschlüssel verlangt und ihn, H. zum Aussteigen aufgefordert, um mit dem Pkw gegen eine Betonwand zu fahren. Er habe ihn überzeugt, dass Selbstmord auf diese Art nicht möglich sei, “weil das Auto zu wenig PS hat und er viel zu wenig Schwung zusammenbringt.”

Priklopil sei es nicht um Flucht gegangen: “Er hatte keine Möglichkeit zu fliehen. Es war ihm völlig klar, dass es aus ist und er in Haft muss. Es war nichts auf eine lange Flucht ausgerichtet. Er hat kein Geld mitgehabt, es war nicht die geringste Vorbereitung für so was.”

Laut Ernst H. verriet ihm Priklopil auch sein Motiv, weshalb er sich der zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alten Natascha Kampusch bemächtigt hatte: “Es war für ihn eine Torschlusspanik, dass er jetzt schon so alt ist und kein Mädchen, keine Frau hat.” Am Ende der Autofahrt, als Prkilopil ausstieg, habe dieser ihn noch gebeten, er, H., möge Natascha Kampusch mitteilen, “dass es ihm leidtut und er sie sehr gerne hat”. Priklopil habe auch noch versucht, auf einem Papierzettel eine Botschaft an seine Mutter zu hinterlassen, aber nicht mehr als das Wort “Mama” zu Papier gebracht.

Weshalb er sich nach Priklopils Abschied nicht umgehend bei der Polizei gemeldet habe? “Es war keine Möglichkeit. Ich hab an Anhänger hinten drauf g’habt. Da kann ich nicht einfach stehenbleiben”, erwiderte Ernst H. Außerdem sei er “komplett fertig” und “am Ende meiner Kraft” gewesen: “Es war a totale Unterzuckerung”. Er sei davon ausgegangen, “dass er so und so geschnappt wird”. Priklopil verübte noch am selben Abend Selbstmord, indem er sich am Nordbahnhof vor einen Zug warf.

Für die Richterin stand fest, dass das letzte Treffen zwischen Priklopil und Ernst H. aus Sicht des Kampusch-Entführers “nicht den Zweck hatte, zu flüchten. Ich glaube, dass er einfach Zeit gewinnen und überlegen wollte, was er jetzt tun soll. Sein primäres Motiv war, sich jemandem anzuvertrauen”. Ernst H. habe nicht den Vorsatz gehabt, seinen Freund vor der Polizei zu schützen: “Davon auszugehen, dass er Fluchthilfe leisten wollte, geht zu weit.”

Entführungsopfer Natascha Kampusch hat sich am Montag erfreut über den Abschluss des Prozesses gezeigt: “Ich bin erleichtert, dass auch dieses Verfahren zu einem Abschluss gekommen ist. Es ist nicht einfach, immer wieder von dritter Seite zu erfahren, wie meine Gefangenschaft abgelaufen sein sollte”, äußerte sich die 22-Jährige.

“Ich hoffe, dass die Mittäter-These nun endgültig verworfen wird, sofern sich nicht wirklich stichhaltige Hinweise dazu finden sollten,” betonte Kampusch. “Demnächst kann sich jeder Interessierte selbst ein Bild davon machen, wie ich die Gefangenschaft erlebt habe.” In gut einer Woche erscheint Natascha Kampuschs Autobiografie “3096 Tage”, indem die junge Frau auf 220 Seiten von ihrem Schicksal erzählt.

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